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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin
Autoren: Corinna Neuendorf
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Prolog
    Herbst 1502
    Der kalte Nachtwind schnitt den beiden Wanderern schmerzhaft in die Wangen. Von den rauschenden Baumkronen rieselte das trockene Laub. Die Wolken, die den Mond immer wieder verfinsterten, kündeten von weiteren Regenschauern.
    Zähneklappernd zog Joß Fritz den Mantel enger um seinen Körper. Der vom letzten Regenguss immer noch klamme, raue Stoff verhinderte nicht, dass die Kälte bis zu seinen Knochen vordrang. Verdammtes Wetter, dachte Fritz wütend. Hätte uns keine bessere Nacht beschieden sein können? Dann riss er sich zusammen. Wir stehen kurz davor, die Freiheit zu erlangen. Auch die Kälte wird uns nicht von unseren Zielen abbringen.
    Ein Lächeln huschte über Joß Fritz’ Gesicht, als er an die vergangenen Monate zurückdachte. Eine wunderbare Zeit war das gewesen! Eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit voller Ideen und Pläne. Den Warnungen und Drohungen der Obrigkeit zum Trotz hatten sich tausende Männer und Frauen dem Bundschuh angeschlossen. Nicht nur die Ackerleute hatten genug vom schändlichen Treiben der Adligen und der Geistlichen, unter den Neuankömmlingen waren auch Bürger und Handwerker.
    Seit Bischof Ludwig von Helmstatt dem Bauwahn verfallen war, erhöhte er beständig die Abgaben und beschnitt seinen Untertanen zunehmend die Forst- und Weiderechte. Nicht wenige Familien sahen allein wegen der schlechten Ernte einem Winter voller Hunger, Siechtum, wenn nicht sogar Tod entgegen. Wo auch immer ein geheimer Werber des Bundschuhs ihre Ideen verbreitete, folgten ihm die Menschen, bewaffnet mit Dreschflegeln, Forken und Sensen.
    Zufrieden hatte Joß festgestellt, dass der Geist des Pfeiferhannes’ in den Menschen weiterlebte. Er war davon überzeugt, dass ihnen das schreckliche Schicksal von Hans Böhm nicht widerfahren würde. Ihnen würde es gelingen, eine neue Ordnung zu schaffen! Eine Ordnung, in der Gott der einzige Herrscher war und der Adel ihm ebenso gehorchen musste wie der niedere Mann.
    »Bei aller Treue zu unserem Bund gibt es dennoch einen Ort, an dem ich jetzt lieber wäre«, bemerkte sein Nebenmann Friedrich Berbaum und erschauderte.
    »In der Kammer deiner Agnes, nicht wahr?«, lachte sein Begleiter. »Ich wäre jetzt auch lieber in den Armen eines Weibes, aber unsere Sache ist wichtiger. Können wir angenehme Gesellschaft genießen, wenn uns der Hunger ein Loch in den Körper brennt und draußen die Wölfe heulen?«
    »Das können wir nicht«, entgegnete Berbaum entschlossen. »Deshalb bin ich ja auch hier und nicht in meinem Dorf.«
    Joß klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »So ist’s recht. Wir werden den Bischof dazu bringen, uns anzuhören. Und wenn er nicht tut, was wir wollen, werden wir ihn angreifen. Angesichts der neuesten Kunde sollten wir voller Hoffnung sein.«
    Berbaum nickte zustimmend. Mochten die Fürsten ihre Soldaten auch noch so gut ausrüsten, sie vom Bundschuh waren viele! Wie die Heuschrecken in den Plagen, die Moses den Ägyptern geschickt hatte. Wurde ein Dutzend Männer getötet, rückte sofort ein weiteres Dutzend nach. Denjenigen, die hier für die Freiheit kämpften, war es egal, ob sie starben, denn auf sie wartete das Himmelreich.
    Plötzlich stocke er. »Dort, ein Feuerschein!«
    Joß folgte dem Fingerzeig seines Begleiters. Die Anspannung wich aus seinen Zügen. »Das sind sie!«
    Ein paar Schritte weiter ertönte der Ruf eines Kauzes über ihnen.
    »Wir sind bemerkt worden«, flüsterte Joß.
    Während Friedrich zu den Baumkronen aufblickte, hielt Joß die Hände vor den Mund und erwiderte den Ruf. Daraufhin kletterten zwei mit Gugeln vermummte Männer an den Baumstämmen hinab und zogen die Sicheln, die sie an den Leibgurten trugen. Die Klingen blitzten auf, als das Mondlicht kurz durch die Wolkendecke drang.
    »Loset!«, forderte einer der Wächter.
    Joß nickte ihm kurz zu.
    »Gott grüß dich, Gesell. Was ist dein Wesen?«, fragte nun der zweite Wächter, der wie ein Schatten hinter seinem Kameraden stand.
    »Wir werden von den Pfaffen und dem Adel nicht genesen«, antwortete Joß mit fester Stimme, worauf die Wächter die Sicheln wieder senkten.
    »Wie lauten eure Namen?«, fragte der erste weiter, während er die Gugel ein wenig aus der Stirn schob, damit die Neuankömmlinge sein Gesicht sehen konnten.
    »Ich bin Joß Fritz, und das hier ist Friedrich Berbaum. Ich freue mich über deine Wachsamkeit, mein Freund.«
    Der Wächter blickte verwundert zu seinem Kameraden, dann verneigte er sich vor Joß.
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