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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana
Autoren: Sterbenskalt
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mich drauf machen konnte wie ein
kleiner kreiselnder Feuerwerkskörper aus fliegendem goldblonden Haar und rosa
Flitterkram, um die Beine um meine Taille zu schlingen und mich mit ihrer
Schultasche und einem struppigen Pony namens Clara, das schon bessere Zeiten
gesehen hatte, auf den Rücken zu hauen. »Hallo, Klammeräffchen«, sagte ich und
gab ihr einen Kuss oben auf den Kopf. Sie war leicht wie eine Fee. »Wie war
deine Woche?«
    »Ganz
schön anstrengend, und ich bin kein Klammeräffchen«, sagte sie ernst zu mir,
Nase an Nase. »Was ist ein Klammeräffchen?«
    Holly ist
neun und schlägt, feingliedrig und zierlich, wie sie ist, ganz nach der Seite
ihrer Mutter - wir Mackeys sind robust und dickhäutig und drahthaarig, wie
geschaffen für schwere Arbeit in Dubliner Wetter. Nur Hollys Augen sind anders.
Als ich sie das allererste Mal sah, schaute sie mich mit meinen eigenen Augen
an, große, strahlendblaue Augen, die mich trafen wie ein Stromstoß und bei
deren Anblick mein Herz noch heute einen Purzelbaum schlägt. Olivia kann meinen
Nachnamen von mir aus wegkratzen wie einen alten Adressaufkleber, den
Kühlschrank vollpacken mit Saft, den ich nicht mag, und mit Dermo dem Pädo
meine Seite des Bettes füllen, aber gegen diese Augen kann sie nichts
ausrichten.
    Ich sagte
zu Holly: »Das ist ein Märchenaffe, der in einem Zauberwald lebt.« Sie bedachte
mich mit einem Blick, der perfekt austariert war zwischen Echt? und Ja, ja,
schon klar. »Was war denn so anstrengend?«
    Sie
rutschte von mir runter und plumpste auf den Boden. »Chloe und Sarah und ich
wollen eine Band gründen. Ich hab für dich ein Bild gemalt, weil wir uns einen
Tanz ausgedacht haben, und kann ich weiße Stiefel haben? Und Sarah hat einen
Song geschrieben und ...« Einen winzigen Moment lang lächelten Olivia und ich
uns beinahe an, über Hollys Kopf hinweg, ehe Olivia sich fing und wieder auf
die Uhr sah.
    In der
Einfahrt kam uns mein Freund Dermo entgegen, der - wie ich ganz genau weiß, weil
ich mir sein Autokennzeichen gemerkt habe, als er und Olivia das erste Mal
zusammen ausgingen - ein einwandfrei gesetzestreuer Bürger ist, der anscheinend
nicht mal seinen Audi je falsch geparkt hat und nichts dafür kann, dass er
aussieht, als stünde er stets kurz vor einem kräftigen Rülpser, »'n Abend«,
sagte er und nickte mir ruckartig zu. Ich glaube, Dermo hat Angst vor mir.
»Holly.«
    »Wie
nennst du ihn eigentlich?«, fragte ich Holly, als ich sie in ihrem Kindersitz
festgeschnallt hatte und Olivia, formvollendet wie Grace Kelly, Dermo an der
Tür einen Kuss auf die Wange gab.
    Holly
kämmte Claras Mähne und zuckte die Achseln. »Mum sagt, ich soll ihn Onkel
Dermot nennen.«
    »Und
machst du das?«
    »Nein.
Wenn ich was zu ihm sage, nenn ich ihn gar nichts. Aber im Kopf nenn ich ihn
Wabbelgesicht.« Sie schaute in den Rückspiegel, um zu sehen, ob ich deshalb
schimpfen würde. Ihr Kinn war bereit, auf stur zu schalten.
    Ich musste
lachen. »Wunderbar«, sagte ich. »Ich bin stolz auf dich«, und dann wendete ich
rasant mit angezogener Handbremse, so dass Olivia und Wabbelgesicht vor Schreck
zusammenzuckten.
     
    Seit
Olivia zur Vernunft gekommen ist und mich vor die Tür gesetzt hat, wohne ich an
den Kais, in einem wuchtigen Apartmentblock, der in den Neunzigern gebaut
wurde. Allem Anschein nach von David Lynch. Die Teppichböden sind so dick,
dass ich noch nie einen Schritt gehört habe, aber selbst um vier Uhr morgens
ist das Summen von fünfhundert Köpfen ringsherum zu spüren: Menschen, die
träumen, hoffen, sich sorgen, Pläne schmieden, nachdenken. Ich bin in einem
Mietshaus aufgewachsen, man sollte also meinen, dass ich mit dem Legebatterie-Lebensstil
klarkomme, aber das hier ist etwas anderes. Ich kenne diese Leute nicht, ich
kriege diese Leute nicht mal zu Gesicht. Ich habe keine Ahnung, wann sie kommen
und gehen. Könnte gut sein, dass sie nie aus dem Haus gehen, dass sie sich einfach
in ihren Wohnungen verbarrikadieren und vor sich hin grübeln. Selbst im Schlaf
bin ich mit einem Ohr auf dieses Summen getunt, bereit, aus dem Bett zu
springen und mein Revier zu verteidigen, falls nötig.
    Eingerichtet
ist meine persönliche Ecke von Twin Peaks im Geschiedenen-Schick, womit ich
meine, dass es bei mir auch nach vier Jahren noch immer aussieht, als würde
gleich der Umzugswagen kommen. Die einzige Ausnahme ist Hollys Zimmer, das
vollgestopft ist mit allen erdenklichen flauschigen Gegenständen. An dem Tag,
als wir zusammen Möbel
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