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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana
Autoren: Sterbenskalt
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aussuchen gingen, hatte ich Olivia endlich ein ganzes Wochenende
im Monat abgerungen, und ich wollte für Holly die drei Etagen des
Einkaufszentrums leerkaufen. Ein Teil von mir hatte geglaubt, ich würde sie nie
wiedersehen.
    »Was
machen wir morgen?«, wollte sie wissen, als wir den wattierten Korridor
hinuntergingen. Sie zog Clara an einem Bein über den Teppichboden hinter sich
her. Erst gestern, so kam es mir vor, hätte sie Zeter und Mordio bei dem Gedanken
geschrien, dass das Pferd den Fußboden auch nur berührte. Einmal blinzeln, und
schon hast du was verpasst.
    »Weißt du
noch, der Drachen, den ich dir gekauft hab? Wenn du heute Abend deine ganzen
Hausaufgaben machst und wenn es morgen nicht regnet, zeig ich dir im Phoenix
Park, wie man ihn steigen lässt.«
    »Darf
Sarah mitkommen?«
    »Wir rufen
ihre Mum nach dem Abendessen an.« Die Eltern von Hollys Freundinnen lieben
mich. Verantwortungsvoller kann man sich gar nicht fühlen, als wenn man sein
Kind unter Aufsicht eines Detectives weiß.
    »Essen!
Können wir Pizza bestellen?«
    »Klar«,
sagte ich. Olivia führt ein zusatzstofffreies, biologisches,
ballaststoffreiches Leben. Wenn ich nicht für ein wenig Ausgleich sorge, wächst
Holly doppelt so gesund auf wie alle ihre Freundinnen und fühlt sich
ausgeschlossen. »Nichts dagegen«, und dann öffnete ich die Tür und bekam eine
erste Ahnung, dass Holly und ich heute Abend keine Pizza essen würden.
    Das
Anrufbeantworterlämpchen an meinem Telefon blinkte wie verrückt. Fünf
entgangene Anrufe. Die Kollegen im Büro rufen mich auf meinem Handy an,
Undercovercops und Informanten rufen mich auf meinem anderen Handy an, meine
Kumpel wissen, dass sie mich im Pub treffen können, wenn ich da aufkreuze, und
Olivia schickt mir Textnachrichten, falls erforderlich. Damit blieb nur die
Familie, also meine kleine Schwester Jackie, da sie die Einzige war, mit der
ich in den letzten zwanzig Jahren gesprochen hatte. Fünf Anrufe, das hieß
wahrscheinlich, dass ein Elternteil im Sterben lag.
    Ich sagte
zu Holly: »Hier«, und hielt ihr meinen Laptop hin. »Nimm den mit in dein Zimmer
und ärgere deine Freundinnen beim Chatten. Ich komm in fünf Minuten nach.«
    Holly, die
genau weiß, dass sie allein nicht online gehen darf, solange sie nicht
einundzwanzig ist, musterte mich skeptisch. »Wenn du eine Zigarette willst,
Daddy«, sagte sie sehr erwachsen, »kannst du einfach auf den Balkon gehen. Ich
weiß, dass du rauchst.«
    Ich schob
sie mit einer Hand auf ihrem Rücken in ihr Zimmer. »Ach ja? Wie kommst du denn
da drauf?« Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre ich echt neugierig gewesen. Ich
rauche nie in Hollys Beisein, und Olivia hatte es ihr bestimmt nicht erzählt.
Wir hatten ihren Verstand geprägt, wir beide, und der Gedanke, dass er Dinge
enthält, die wir nicht da hineingepflanzt haben, macht mich noch immer fertig.
    »Ich weiß
es einfach«, sagte Holly, warf Clara und ihre Tasche aufs Bett und blickte
würdevoll. Die Kleine hätte jetzt schon das Zeug zum Detective. »Und das
solltest du nicht. Schwester Mary Therese sagt, das macht alles in dir drin
schwarz.«
    »Schwester
Mary Therese hat absolut recht. Gescheite Frau.« Ich schaltete den Laptop an
und stellte die Breitbandverbindung her. »So, du kannst loslegen. Ich muss
kurz telefonieren. Aber kauf ja keine Diamanten bei eBay.«
    Holly
fragte: »Willst du deine Freundin anrufen?«
    Sie wirkte
sehr klein und viel zu klug, wie sie da in ihrem weißen Steppmantel stand, der
bis zu ihren dünnen Knien reichte, die Augen weit aufgerissen und bemüht, nicht
verängstigt auszusehen. »Nein«, sagte ich. »Nein, Schätzchen. Ich hab keine
Freundin.«
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort.
Und ich hab auch nicht vor, mir in absehbarer Zeit eine zuzulegen. In ein paar
Jahren kannst du vielleicht eine für mich aussuchen. Wie fändest du das?«
    »Ich will,
dass Mum deine Freundin ist.«
    »Ja«,
sagte ich. »Ich weiß.« Ich legte ihr kurz eine Hand auf den Kopf. Ihr Haar
fühlte sich an wie Blütenblätter. Dann schloss ich die Tür hinter mir und ging
zurück ins Wohnzimmer, um herauszufinden, wer gestorben war.
    Es war
tatsächlich Jackie auf dem Anrufbeantworter, und sie sprach so schnell wie ein
Expresszug. Ein schlechtes Zeichen: Jackie bremst bei guten Nachrichten (»Du
errätst nie im Leben, was passiert ist. Na los, rate«) und tritt bei schlechten
das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Das hier war Formel-1-Material. »Ach,
verdammt, Francis, bist du denn nie zu
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