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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana
Autoren: Sterbenskalt
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ich, Hand aufs Herz, mit zu gleichen Teilen Selbstgefälligkeit und
Bedauern, sieht toll aus: groß gewachsen, ovales, elegantes Gesicht, jede
Menge weiches, aschblondes Haar und die Art von unaufdringlichen Rundungen,
die du zunächst gar nicht bemerkst und dann nicht mehr aufhören kannst zu
bemerken. An dem Abend war sie in ein teures, schwarzes Kleid und hauchdünne
Nylons gehüllt, und sie trug die Brillantkette ihrer Großmutter, die nur zu
ganz besonderen Anlässen hervorgeholt wird. Der Papst höchstselbst hätte sein
Käppchen vom Kopf gerissen, um sich die Stirn zu wischen. Ich, der ich nicht so
viel Klasse habe wie der Papst, stieß einen Pfiff aus. »Großes Rendezvous?«
    »Wir gehen
essen.«
    »Heißt
>wir< schon wieder du und Dermo?«
    Olivia ist
viel zu clever, um sich von mir so leicht provozieren zu lassen. »Sein Name
ist Dermot, und ja, das heißt es.«
    Ich tat
beeindruckt. »Das sind ja dann schon vier Wochenenden hintereinander,
stimmt's? Ist heute Abend der große Abend, wenn ich fragen darf?«
    Olivia
rief die Treppe hoch: »Holly! Dein Vater ist da!« Während sie mir den Rücken
zudrehte, schlüpfte ich an ihr vorbei in die Diele. Sie hatte Chanel N°5
aufgelegt, wie immer.
    Von oben:
»Daddy! Ich komm gleich, ich komm gleich, ich komm gleich, ich muss bloß noch
...«, und dann langes aufgeregtes Geplapper, mit dem Holly erklärte, was in
ihrem komplizierten kleinen Kopf vorging, ohne darüber nachzudenken, ob
irgendwer sie hören konnte. Ich brüllte: »Lass dir ruhig Zeit, Schätzchen!«,
auf dem Weg in die Küche.
    Olivia
folgte mir. »Dermot müsste jede Minute hier sein«, erklärte sie. Mir war nicht
klar, ob das eine Drohung oder eine Bitte war.
    Ich
öffnete den Kühlschrank und warf einen Blick hinein. »Der Bursche gefällt mir
nicht. Er hat kein Kinn. Männern ohne Kinn trau ich nicht über den Weg.«
    »Tja, zum
Glück ist dein Männergeschmack hier nicht von Belang.«
    »Ist er
doch, falls du dich ernsthaft auf ihn einlässt und er auch mit Holly zu tun
hat. Wie heißt er noch mal mit Nachnamen?«
    Einmal,
als wir schon auf die Trennung zusteuerten, hat mir Olivia die Kühlschranktür
gegen den Kopf geknallt. Ich spürte, dass sie drauf und dran war, es wieder zu
tun. Ich blieb vorgebeugt stehen, um ihr reichlich Gelegenheit zu bieten, doch
sie bewahrte ruhig Blut. »Wieso willst du das wissen?«
    »Ich muss
ihn unbedingt durch den Computer laufen lassen.« Ich nahm eine Packung
Orangensaft heraus und schüttelte sie. »Was ist das denn für ein Mist? Seit
wann kaufst du keine guten Sachen mehr?«
    Olivias
Mund - ein Hauch Lipgloss - wurde allmählich schmallippig. »Du wirst Dermot nicht durch
irgendeinen Computer laufen lassen, Frank.«
    »Geht
nicht anders«, erwiderte ich munter. »Ich muss schließlich auf Nummer sicher
gehen, dass er nicht auf kleine Mädchen steht, oder?«
    »Herrgott,
Frank! Er steht nicht —«
    »Vielleicht
nicht«, räumte ich ein. »Wahrscheinlich nicht.
Aber wie kannst du dir da ganz sicher sein, Liv? Vorsicht ist die Mutter der
Porzellankiste, meinst du nicht auch?« Ich schraubte die Kappe vom Saft und
trank einen Schluck.
    »Holly!«,
rief Olivia, lauter. »Beeil dich!«
    »Ich kann
mein Pferd nicht finden!« Dumpfes Gepolter
über uns.
    Ich sagte
zu Olivia: »Die nehmen alleinstehende Mummys mit hübschen kleinen Kindern ins
Visier. Und es ist erstaunlich, wie viele von denen kein Kinn haben. Ist dir
das schon mal aufgefallen?«
    »Nein, Frank,
ist es nicht. Und untersteh dich, deinen Job auszunutzen, um unbescholtene -«
    »Sieh das
nächste Mal genau hin, wenn wieder über irgendeinen Pädophilen im Fernsehen
berichtet wird. Weißer Van und kein Kinn, garantiert. Was fährt Dermo für ein
Auto?«
    »Holly!«
    Ich trank
noch einen großen Schluck Saft, wischte die Tülle mit dem Ärmel ab und stellte
die Packung zurück in den Kühlschrank. »Das Zeug schmeckt wie Katzenpisse. Wenn
ich den Unterhalt erhöhe, kaufst du dann anständigen Saft?«
    »Und wenn
du ihn verdreifachen würdest«, sagte Olivia süßlich und unterkühlt zugleich mit
einem Blick auf ihre Uhr, »was du nicht kannst, würde es höchstens für eine
Packung pro Woche reichen.« Das Kätzchen fährt die Krallen aus, wenn man es nur
lange genug am Schwanz zieht.
    In diesem
Moment rettete Holly uns vor uns selbst, indem sie aus ihrem Zimmer geschossen
kam und aus vollem Halse »Daddydaddydaddy!« rief. Ich schaffte es rechtzeitig
zur Treppe, so dass sie einen Hechtsprung auf
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