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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind
Autoren: A Hollinghurst
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Buch.
    »Und Daphne Sawle war seine Schwester. Verrückt. Ich habe gerade erst letzte Woche Daphne Sawles Enkelin kennengelernt.«
    »Verstehe …«
    »Ich fand ihre Geschichte über die Biografie von Cecil Valance etwas verworren. Aber sie sagte, ihre Großmutter habe auch Memoiren geschrieben. Da wollte ich eigentlich noch mal nachhaken.«
    »Darüber weiß ich nichts«, sagte Raymond, und da er diesen Satz nicht gerne von sich gab, machte er sich gleich an die Arbeit.
    »Das Haus Two Acres hat doch ganz hier in der Nähe gestanden, oder?«
    »Ja, in Stanmore.«
    »Noch was davon übrig?«
    Raymond glotzte auf den Schirm, scrollte rauf und runter, die Zunge zwischen den Lippen. »Das wurde vor fünf, sechs Jahren abgerissen. Es war sowieso schon eine Ruine. – Nein, Rob, es gibt sonst keinen Sawle, außer G . F. und Madeleine, die seine Frau war, wie ich zufällig weiß.«
    »Guckst du gerade bei AbeBooks?«
    » G. F. hat außerdem Valances Briefe herausgegeben.«
    »Ja, genau«, sagte Rob und glühte förmlich innerlich, weil sich eine Verbindung auftat, ein fürsorgliches Gefühl gegenüber seiner Beute, das sich bei jeder Recherche einstellte. »Ich habe den Verdacht, dass Daphne unter dem Namen Jacobs veröffentlicht hat.«
    »Ah, ja …« Raymonds große Hände flatterten geschickt über die Tastatur.
    »Sie ist heute völlig in Vergessenheit geraten. Aber vor dreißig Jahren, als sie ihre Erinnerungen veröffentlichte, war sie noch einigermaßen bekannt. Sie war mit Dudley Valance verheiratet, danach mit dem Künstler Revel Ralph.«
    »Stimmt … da wären wir … Daphne Jacobs: Assyrische Holzblasinstrumente – ist sie das?«
    »Hm …?«
    »Bronzeschmuck im alten Mesopotamien.«
    »So weit zurück reichen ihre Memoiren wohl nicht.«
    »Corpus Mesopotanium …« – Der Titel bremste ihn kurz aus. »Lauter solches Zeug.«
    »Ich glaube, ihr Buch hieß Die kurze Galerie: Porträts eines Lebens .«
    »O – kay. Also los: Die kurze Galerie: Porträts eines Lebens . Sieben Exemplare … Plymbridge Press, 1979, 212 Seiten, Erstausgabe, £ 1. Da haben wir es!«
    Rob trat hinter Raymond und sah ihm über die Schulter. »Scroll mal weiter runter.« Es folgten die üblichen Zustandsbeschreibungen: sehr schöne Ausgabe mit sehr schönem Schutzumschlag, £ 2.50; Bibliotheksausgabe, ohne Umschlag, Wasserflecken auf hinterem Buchdeckel, einige Unterstrei chungen, £18, gutes Angebot; enthält freimütige Porträts füh render Schriftsteller und Künstler, A. Huxley, Mary Gibbons, Lord Berners, Revd Ralph u. a.; und sensationellen Be richt über Teenage-Affäre mit Kriegsdichter Dudley Valance.«
    »Falsch!«, sagte Raymond. »Stimmt’s?«
    »Revd Ralph ist nicht schlecht«, amüsierte sich Rob. »Aber das ist ja auch witzig: Mit Widmung der Autorin, ›Für Paul Bryant, 18. April 1980‹.« Es gab einen Link auf einen sechzehn Seiten umfassenden Katalog – den Garsaint auch manchmal auf Lager hatte –, der 1984 anlässlich von Revel Ralphs Ausstellung »Landschaften und Porträts« in der Michael Parkin Gallery erschienen war, mit einem posthumen Vorwort von Daphne Jacobs – natürlich unsigniert: £ 25.
    Die letzte Ausgabe, angeboten von Delirium Books in Los Angeles, war der Traum eines jeden Buchhändlers: »Persönliches Exemplar von Sir Dudley Valance, mit eigenem Exlibris, Entwurf St John Hall, mit Widmung und signiert von der Autorin, ›Für Dudley von Duffel‹, mit zahlreichen Anmerkungen und Korrekturen (Bleistift und Tinte) von Dudley Valance. Buchzustand gut, Schutzumschlag, Schäden an der oberen Buchrückenkante, 1 cm langer Riss im hinteren Buchdeckel, repariert. Schuber aus rotem Maroquinleder. Einmaliges Angebot: £ 1 500.«
    »Such dir was aus«, sagte Raymond.
    »Also gut«, sagte Rob. Jennifer Ralphs Einschätzung, das Buch sei »ziemlich schwach«, änderte nichts an seiner Neugier. Sie hatte einige der im Buch Porträtierten sicher persönlich gekannt, das machte natürlich etwas aus. »Wie viel willst du für den Hewitt?«
    »Hundert?«
    Rob sah ihn verwundert an. »Raymond!«
    »Hast du die Briefe von Valance gesehen?«
    »Wie bitte?« Rob hob eine Augenbraue und errötete leicht.
    »Siehst du.« Raymond nahm Rob das Buch aus der Hand und zeigte ihm, dass nach einigen leeren Seiten im Anschluss an das FINIS in der Mitte noch ein zweiter Abschnitt mit transkribierten Briefen folgte, diesmal in einer völlig anderen Tonlage. »Das ist doch das eigentlich Interessante an dem Buch, Robson,
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