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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind
Autoren: A Hollinghurst
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erwiderte – ein Fremder hätte es als liebenswürdig angesehen, doch George kannte es als Cecils Ausdruck fester Entschlossenheit, seinen Willen durchzusetzen. Kaum hatten die drei Frauen sich in die Halle verzogen, nickte Cecil Hubert freundlich zu. »Ich habe eine grässliche Angewohnheit, die jeder vornehmen Gesellschaft zutiefst verhasst ist und der nur draußen, im Schutz der Dunkelheit, nachgegangen werden kann.«
    Hubert quittierte dieses unerwartete Geständnis mit einem nervösen Lächeln, zückte ein silbernes Zigarettenetui und legte es verschämt auf den Tisch. Cecil im Gegenzug holte ein ledernes Zigarrenetui hervor, das, wie Patronen in einem Doppellauf, ein Paar Zigarren enthielt, geradezu obszön und wie geschaffen für ein exklusives Raucher-Tête-à-tête. »Mein guter Freund!«, sagte Hubert einigermaßen verblüfft und deu tete mit einer scheuen Handbewegung an, er solle sich keinen Zwang antun.
    »Nein, wirklich, ich könnte unmöglich qualmen in so …«, für eine Sekunde war Cecil um Worte verlegen, »… so einem intimen Rahmen. Was würde Ihre Mutter von mir denken? Man würde es im ganzen Haus riechen. Selbst auf Corley sind wir in der Beziehung strikt.« Er fixierte Hubert mit einem bos haften schmalen Lächeln, um anzudeuten, dies könne auch für ihn ein spannender Moment werden, eine Gelegenheit, mit den Konventionen zu brechen und dennoch irgendwie das Richtige zu tun. George hatte nicht den Eindruck, als könnte Hubert diese Ansicht teilen, und weiteren Einlassungen zu vorkommend, sagte er: »Wir plaudern morgen Abend mal richtig miteinander, Huey, wenn Harry auch da ist, ja?«
    »Natürlich, das machen wir«, sagte Hubert. Er schien nicht sonderlich gekränkt, etwas konsterniert vielleicht, aber auch erleichtert, und fügte sich bereitwillig dem Pakt zwischen den Cambridge-Männern. »Wissen Sie, Valance, wir legen hier keinen Wert auf Förmlichkeiten! Sie können draußen so viel stänkern, wie Sie wollen, ich jedenfalls …«, sagte er, wobei er mit einer Miene, als sei er sich selbst genug, mit dem Etui wedelte, »ich treibe mich ein bisschen herum und genehmige mir einen Glimmstängel bei den Damen.«

6
    N ach dem Essen ging Daphne nach oben und kam mit dem purpurroten, mit schwarzen Fransen besetzten Shawl ih rer Mutter wieder zurück. Sie hatte das Gefühl, sich Frei heiten herausgenommen zu haben, und schon meinte sie, das Hausmädchen würde sie kritisch beäugen. Man hatte Kaffee und Likör hereingebracht, und zerstreut bat Daphne um ein kleines Glas Ginger-Brandy, das Mrs Sawle ihr mit gelupften Augenbrauen und einem mokanten Lächeln einschenkte. Hubert stand auf dem Kaminvorleger, fuchtelte mit seinem Etui, klopfte mit einer Zigarette auf den Deckel und ließ die Gesichtsmuskeln spielen, als wollte er sich über etwas beklagen oder einen Witz erzählen oder überhaupt etwas von sich geben, wozu es aber nicht kam. Cecil, der das Haus offenbar nicht vollzuqualmen gedachte, hatte den Moment genutzt und die Terrassentür geöffnet und war mit seiner Zigarre nach draußen gegangen, George war ihm gefolgt. Mrs Kalbeck ließ sich mit einem geistesabwesenden Lächeln in ihrem Lehnsessel nieder und summte, die diversen Flaschen im Visier, eines ihrer geliebten Leitmotive. Alle waren mehr oder weniger betrunken. Für Daphne war es jedes Mal lehrreich zu beobachten, wie sich die Erwachsenen bei solchen Dinnergesellschaften auf die Getränke stürzten und wie sie sich danach aufführten. Gegen den steigenden Lärmpegel und das allgemeine Wohlwollen hatte sie nichts einzuwenden, auch nicht, dass alle nun aussprachen, was sie dachten, obwohl manches, was George dachte, ihr fremd war. Was sie störte, war das Verhalten ihrer Mutter, besonders wenn sie sich echauffierte und zu viel redete, eine Entwicklung, die jedoch die anderen, die ebenfalls betrunken waren, nicht zu beunruhigen schien. Das Walisische brach sich auf blamable Weise in ihrer Stimme Bahn, und bei Musik wurde sie weinerlich. »Sollen wir nicht ein bisschen Musik hören?«, sagte sie jetzt. »Ich möchte Cecil meine Emmy-Destinn-Platte vorspielen.«
    »Die Tür steht offen«, sagte Daphne, »er kann sie draußen hören.« Es zog sie selbst hinaus, und den Shawl hatte sie in der romantischen Erwartung umgelegt, damit in den Garten zu gehen.
    »Hilf mir mit der Maschine, Kindchen.«
    Freda huschte durch den Raum und stieß gegen den kleinen runden Tisch mit Fotorahmen. Sie hatte breite Hüften, ihr Korsett war eng
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