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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind
Autoren: A Hollinghurst
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fragte sie Cecil unvermittelt, geradezu keck, als säße sie selbst ständig im Sattel.
    »Gelegentlich reite ich mit der White-Horse-Jagdgesellschaft aus«, sagte Cecil, »aber leider sieht mein Vater das nicht gern.«
    »Ach so?«
    »Er züchtet Rinder, wissen Sie, und er hegt zärtliche Ge fühle für Tiere.«
    »Wie allerliebst!«, sagte Daphne, beifällig den Kopf schüttelnd.
    Cecil erwiderte ihren Blick mit jener leutseligen Überheblichkeit, der nachzueifern George sich redlich mühte. »Da er nicht mit der Meute jagt, hat er sich am Ort den Ruf erworben, ein großer Gelehrter zu sein.« Sie lächelte wie hypnotisiert, obwohl sie offensichtlich keinen blassen Schimmer hatte, was er damit meinte.
    »Er ist ja auch wirklich so etwas wie ein Gelehrter, Cess«, sagte George.
    »Allerdings«, sagte Cecil. »Sein Rinderfutter und Rinderpflege erlebt jetzt die vierte Auflage. Bei Weitem die erfolgreichste literarische Produktion der Familie Valance.«
    »Du meinst, bis jetzt«, sagte George.
    »Teilt Ihre Mutter seine Ansichten über die Jagd?«, stichelte Mrs Sawle, unschlüssig, auf wessen Seite sie sich schlagen sollte.
    »Um Gottes willen, nein. Sie ist unbedingt für das Töten. Sie sieht es gern, wenn ich mit dem Gewehr losziehe, aber vor meinem Vater verheimlichen wir es, wenn es irgend geht. Ich bin ein ganz guter Schütze«, sagte Cecil und fügte, nachdem er sich in dem mageren Kerzenlicht routiniert umgeschaut hat te, um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden einzusammeln, hinzu: »Als ich noch sehr klein war, hat mich der General mit einem Gewehr losgeschickt, auf einen Schwarm lärmender Krähen zu schießen. Getroffen habe ich vier.«
    »Wirklich?«, sagte Daphne, während George auf die nächste Zeile wartete.
    »Aber am nächsten Tag habe ich ein Gedicht über sie geschrieben.«
    »Ah ja …« Wieder wussten sie nicht recht, was sie davon halten sollten, und geschwind lieferte George die Erklärung nach, der General sei der Spitzname von Cecils Mutter. Es genierte ihn unendlich, der Name ebenso wie die Heuchelei, er habe ihn seiner Familie gegenüber nie erwähnt.
    »Das hätte ich Ihnen sagen sollen«, entschuldigte sich Cecil. »Meine Mutter ist der geborene Anführer, aber sonst ein ganz liebenswertes Geschöpf – wenn man sie erst mal kennengelernt hat. Meinst du nicht auch, George?«
    Lady Valance war die furchtbarste Person, deren Bekanntschaft George je gemacht hatte; sie war starrsinnig, scheinheilig, indiskret und immun gegen alle Witze, selbst wenn man sie ihr erklärte; ihre Söhne hatten gelernt, ihre Ernsthaftigkeit selbst als großen Witz zu betrachten. »Na ja, deine Mutter verwendet ja ihre Zeit und Energie auch hauptsächlich darauf, Gutes zu tun«, antwortete George mit der ihm eigenen behutsamen Pietät.
    Als das Hauptgericht aufgetischt und ein neuer Wein kredenzt wurde, hatte George plötzlich das Gefühl, alles könnte gut verlaufen, die ungeheure Provokation sich in einen bescheidenen Erfolg verwandeln. Offensichtlich bewunderten sie Cecil, der es meisterhaft verstand, immer das Richtige zu sagen und zu tun, und Georges Vertrauen in seinen Freund übertraf die Angst, er könnte etwas Exaltiertes tun oder von sich geben, und sei es nur zum Zweck der Unterhaltung. In Cambridge gebärdete sich Cecil häufiger exaltiert, und was seine Briefe betraf – die Sachen, die er darin sagte, erschienen George vage wie eine Parade maskierter Gestalten, pompeja nische Obszönitäten, notdürftig kaschiert, versteckt hinter Vorhängen oder im Schatten der Kaminecke. Im Moment jedoch war alles gut. So wie die Tiefe in Tennysons Gedicht verfügte Cecil über viele Stimmen … Ab und zu suchte Georges Zeh den seines Freundes und wurde mit einem freundlichen Kraulen und nicht mit einem Stoß begrüßt. Er hatte nur Sorge, seine Mutter könnte zu viel trinken; dennoch, der Rotwein, von Hubert überschwänglich gepriesen, war gut, und eine für Two Acres spürbar neue Art der Geselligkeit er füllte die Tischrunde. Lediglich seine Schwester, die Cecil fort während anstarrte und angrinste und dabei vorwitzig den Kopf zur Seite neigte, konnte ihn wirklich enervieren. Aber dann vernahm er zu seinem Entsetzen Mrs Kalbeck: »Wie man hört, sind Sie und George Mitglieder einer altehrwürdigen Gesellschaft!«
    »Oh … äh …«, stotterte George, obwohl diese Prüfung in erster Linie Cecil galt. Dass dieser ihn nicht ansah, empfand er als Vorwurf.
    Nach einer Schrecksekunde sagte Cecil, beinahe
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