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Laura - Venezianisches Maskenspiel

Titel: Laura - Venezianisches Maskenspiel
Autoren: Mona Vara
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Ein „wohlmeinender“ Freund
    D omenico erwachte in einer Wolke aus nach Rosen duftendem, langem, hellblondem Haar und nach Liebe duftender weiblicher Haut. Neben ihm, eng an seinen Körper geschmiegt, lag Sofia, seine derzeitige Geliebte. Sie schlief und er nutzte die wenigen Momente der Ruhe, die sie ihm gönnte, um nach zwei Briefen zu greifen, die auf dem kleinen Tisch neben seinem Bett lagen.
    Er drehte sie abwägend hin und her, bevor er sich entschloss, sie zu öffnen. Der eine – sehr umfangreich und aus fünf Bögen bestehend – stammte wieder von seiner Mutter. Ein unerfreulicher Brief, der ihn an seine Pflicht erinnerte. Und es war nicht der erste, auch wenn sie es verstand, mit jedem weiteren Schreiben noch eindringlichere Worte zu finden und größere Überzeugungskunst hineinzulegen. Dieses Mal appellierte sie sogar an sein Gewissen. Sie schrieb, dass es an der Zeit wäre, endlich einen rechtmäßigen Erben in die Welt zu setzen, um die Familie vor dem Aussterben zu bewahren. Sie fand doch tatsächlich mehrere traurige Beispiele – zu denen so bekannte Geschlechter wie ein Zweig der Valieri zählten – in denen dies wegen der Pflichtvergessenheit und Fortpflanzungsunwilligkeit des letzten Erben geschehen war, und flehte ihn in den letzten fünf Absätzen des Schreibens förmlich an, zurückzukehren und seine Gattin endlich zu einer richtigen Frau und Mutter zu machen!
    Domenico schnaubte verächtlich. Als ob er sich nicht alle Mühe gegeben hatte, das zu tun! Aber bei dieser Frau wäre selbst Gott Zeus mit all seinen Verwandlungs- und Verführungskünsten gescheitert!
    Dabei war ihm Laura Veronese, die Tochter eines verarmten venezianischen Adeligen, als die für diesen Zweck passende Frau erschienen. Einer seiner Freunde hatte die ersten Kontakte zu ihrer Familie hergestellt, und er selbst hatte ihren Vater aufgesucht und war bald einig mit ihm geworden. Er hatte, um sie kennenzulernen, erst auf das venezianische Festland, die Terraferma, reisen müssen, wo ihr Vater sie seit ihrem fünften Lebensjahr in einem Kloster untergebracht hatte, um nicht mit der Tochter belastet zu sein. Als er dann Laura das erste Mal in dem kahlen Sprechzimmer des Klosters besichtigt hatte, war er überzeugt davon gewesen, dass dieses Mädchen, das mit seinen dreiundzwanzig Jahren nicht gerade in der Blüte seiner Jugend stand, genau die richtigen Eigenschaften mitbrachte, die er sich von einer fügsamen Gattin und Mutter seiner Kinder erwartete. Ein gesundes und gleichzeitig unkompliziertes Geschöpf, ohne allzu große Ansprüche, das gewiss nicht in jene Art von Lebenslust verfallen würde, die einen Ehemann um seine Ehre und sein Vermögen brachte. Zwei Monate später hatte die Hochzeit stattgefunden.
    Und da war er zum ersten Mal stutzig geworden.
    Denn das Mädchen, anstatt Glück und Freude über diese vorzügliche Verbindung auszustrahlen, hatte stumm und verstockt an der Hochzeitstafel gesessen und ihn kaum angesehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das noch für Schüchternheit gehalten, aber als er in der darauffolgenden Nacht mit einer gewissen Vorfreude auf diesen durchaus nicht reizlosen Körper in ihr Schlafzimmer gekommen war, hatte er – statt einer scheuen und hingebungsvollen Gattin – ein auf einem Sessel zusammengekauertes Häufchen Unglück vorgefunden, das irgendetwas völlig Zusammenhangloses von ewiger Liebe stotterte und nicht daran dachte, ihn ohne diese – ihm offenbar so mangelnden Voraussetzung – auch nur näher als zwei Schritte an sich heranzulassen.
    Liebe. Und noch dazu ewige. Er verzog bei dem Gedanken, dass ihm in seiner Jugend ähnliche dumme Flausen im Kopf herum gespukt waren, verächtlich den Mund. Zum Glück war er davon geheilt worden, bevor er sich für alle Zeiten hatte lächerlich machen können, indem er einem hübschen Lärvchen, das ihm Liebesschwüre ins Ohr geflüstert und in Wahrheit nur nach dem „Meistbietenden“ Ausschau gehalten hatte, die Ehe anbot. Er war damals noch jünger gewesen als Laura heute und war erstaunlich schnell über die Enttäuschung hinweggekommen, auch wenn er in Zukunft vorsichtiger geworden war. Und Laura würde ebenfalls irgendwann einsehen, dass diese Art von Liebe nur der Auswuchs heillos romantischer Geister war und sonst nichts.
    Domenico war an diesem Abend jedenfalls nichts anderes übrig geblieben, als die Hochzeitsnacht zu verschieben und darauf zu warten, dass seine Frau Vernunft annahm. Er war erstaunt gewesen, dass es offenbar
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