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Fremde Schiffe

Fremde Schiffe

Titel: Fremde Schiffe
Autoren: John Maddox Roberts
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über sich. Er ließ den Jungen am Leben.
    Ganz bestimmt würde er Gasam gegenüber keine Skrupel hegen. Gasam war anders.

 
KAPITEL VIERZEHN
     
    S hazad befürchtete, den Verstand zu verlieren. Ihre Willenskraft und Stärke, auf die sie immer so stolz gewesen war, schmolzen wie Wachs in der Sonne dahin. Tagsüber kehrte ein Teil der alten Energie zurück. Sie erinnerte sich daran, dass sie eine Königin war, das Land sich im Kriegszustand befand und der Feind im Palast weilte. Sie hatte das Faustpfand der Macht verloren und musste schnell etwas unternehmen.
    Nachts kam er zu ihr und ihre Entschlossenheit ertrank in der unglaublichen Sinnlichkeit, die er verströmte. Bei ihm war sie ein schwaches, hirnloses Tier, das sich nur nach der nächsten Berührung und der nächsten Ekstase sehnte. Es war Wahnsinn. Nur ein dummes junges Mädchen durfte zulassen, so benutzt zu werden und ihr Land und ihr Volk im Taumel des eigenen Vergnügens zu vergessen.
    Aber schuldete sie sich nicht Ersatz für die Jahre, die sie zum Wohle des Landes geopfert hatte? Hatte sie nicht endlos über Dokumenten gesessen, Zeremonien ertragen und sich einen Weg durch die Intrigen gebahnt, die ihre Nachbarn und die Adligen schmiedeten, damit Neva reich und mächtig blieb? Warum sollte sie sich so spät im Leben diese Freuden versagen, jetzt, da ihre Jugend vorbei war?
    Streng rief sie sich zur Ordnung. Es gab praktische und höchst bedrohliche Dinge zu bedenken. Sie hatte die Gefahr missachtet, die von den Insulanern ausging, und sich ihrem Gefolge gegenüber unmöglich verhalten. Wenn sie Gasam in der Öffentlichkeit traf, vermochte sie ihre Verliebtheit nicht zu verbergen. Sie war nicht in der Lage, hoheitsvoll und würdig zu bleiben.
    Ihr Verhalten war alles, was die rebellischen Adligen brauchten. Sie erlebten den Verrat ihrer Königin, die sich dem Feind hingab. Jetzt konnten sie Shazad stürzen und dem Henker ausliefern. Und sie hätten Recht damit. Sie sah etwas viel Ernsterem gegenüber als Skandal und Klatsch. Sie würde den Krieg verlieren. Ihr stand der Tod bevor. Es war an der Zeit, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
    Nachdem ihre Zofen sie frisiert hatten, saß sie in ihrem Schlafgemach und fragte sich, wie sie es schaffen sollte. Würde sie ihm wieder mit weichen Knien gegenüberstehen? Würde sie ihn anlächeln und ihr Herz schmelzen?
    Sie schickte die Frauen fort. Allein verließ sie ihr Zimmer. Der Anblick, der sich ihr im Thronsaal bot, ließ sie innehalten. Ihr Herz setzte aus. Ihr Gefolge hatte sich an einem Ende des Raums versammelt, unter dem Balkon der Musikanten. Leise Harfenmusik und Flöten erklangen. Am anderen Ende stand Gasam, überheblich wie immer, einen Fuß auf den Thron gestützt und von seinen Shasinn umringt. Bis auf einen waren es nur Elitekrieger. Die Ausnahme bildete ein junger Bursche mit dem Kurierumhang. Angst ergriff sie. Welche Nachrichten brachte der Knabe aus dem Kriegerlager? In der Ferne hörte sie Lärm aus den Straßen der Stadt, achtete aber nicht darauf.
    »König Gasam«, sagte sie und kam näher, »ist in deinem Lager alles in Ordnung?«
    Er drehte sich um, sah zu ihr herab und lächelte. Diesmal krampfte sich ihr Magen vor Angst zusammen, nicht vor Leidenschaft.
    »Alles ist bestens, Königin Shazad.«
    Er wusste es. Es war vorbei. Was hatte sie getan?
    »Komm her, wir haben uns einiges zu erzählen.«
    Langsam, aber ohne ersichtliches Zögern stieg sie die Stufen empor. Ihre Höflinge zogen sich ängstlich zurück. Schritt für Schritt ging sie auf ihn zu und spürte die Feindseligkeit, die von allen Shasinn ausging. Das ungezwungene diplomatische Benehmen war verschwunden und durch barbarische Wildheit ersetzt worden. Sie waren feindselig, aber in der Minderheit und von Nevanern umgeben. Warum waren sie dann so selbstbewusst?
    Shazad stand vor Gasam. Was auch immer geschah, sie hatte es selbst verschuldet und würde sich ihm stellen. Wenn das der Tod war, würde sie ihm wie eine wahrhafte Königin begegnen.
    »Ich sehe, es steht etwas zwischen uns, König Gasam. Was hat sich geändert?«
    »Alles.« Sein Lächeln war geradezu furchterregend. Falls er sie je geliebt hatte oder nur so tat – jetzt war alles vorbei. Er war der Barbarenkönig. Gasam hob die Hand, als wollte er ihre Wange streicheln, aber die langen Finger schlossen sich um ihren Hals. Die Musik verstummte auf der Stelle und die Wachen setzten sich in Bewegung. »Siehst du …«, begann er, als der junge Krieger aufschrie und zum
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