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Fremde Schiffe

Fremde Schiffe

Titel: Fremde Schiffe
Autoren: John Maddox Roberts
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Balkon hinaufzeigte. Dort stand Prinz Ansa mit gespanntem Bogen.
    Der Lärm aus der Stadt wurde immer lauter, während Shazad die Ereignisse erlebte, als geschehe plötzlich alles sehr langsam und die Menschen würden sich wie durch tiefes Wasser bewegen. Gasam sah überrascht aus und ließ ihren Hals los, als er sich zum Balkon umwandte. Der Pfeil flog bereits auf ihn zu. Die Entfernung war nicht groß; weniger als hundert Schritte. Nichts würde ihn retten.
    Der Knabe neben Gasam beugte sich vor, die schwarzen, geraden Brauen vor Konzentration zusammengezogen. Seltsame Augenbrauen für einen Shasinn, dachte Shazad beiläufig. Die Geste des Jungen war unglaublich zielsicher, als er die lange Speerspitze vor den Körper des Königs hielt. Sie traf den Pfeil am Schaft, genau hinter der Spitze. Shazad sah den Holzsplitter, der abgeschält wurde, als der Pfeil die Richtung änderte. Obwohl sie wusste, was geschah, dachte sie voller Bewunderung: Diese Shasinn sind einfach keine gewöhnlichen Menschen.
    Der Pfeil bohrte sich in ihre linke Seite, unmittelbar unterhalb des Brustkorbs. Es fühlte sich an, als wäre ein Stück Eis unter ihr Mieder geraten, und die Stelle wurde taub. Sie sah hinab. Nicht mehr als zwei Zoll des Schafts und der Federn ragten aus ihrem Körper. Der Anblick störte sie nicht sonderlich. Es würde eine Weile dauern, bis die Verletzung sie tötete, und sie hatte noch viel zu tun.
    Gasam starrte sie entsetzt an, als sich seine Krieger vor ihn drängten, um ihn vor weiteren Angriffen zu schützen. Shazad fühlte sich, als schwebe sie. Sie fiel hintenüber und spürte, wie ein Arm sie stützte. Sie sah sich um. Der Knabe hielt sie fest. Einen Arm um die Königin gelegt, den anderen weit ausgestreckt, öffnete sich der Kurierumhang und Shazad sah die vollen Brüste. Jetzt wusste sie, warum ihr die schwarzen Brauen seltsam vorgekommen waren.
    »Es tut mir leid, Shazad«, sagte Larissa. »Ich wollte nicht, dass du verletzt wirst.« Ihre Haare und die Haut waren meisterhaft gefärbt. Sie bewegte sich genau wie ein Krieger – eine perfekte Täuschung. Die Inselkönigin beugte sich vor und küsste Shazad auf die Lippen. »Ich liebe dich, Shazad. Ich hoffe, du bleibst am Leben. Niemand außer mir darf dich töten. Das möchte ich mir nicht von einem Sohn Haels nehmen lassen. Ich töte ihn jetzt und räche dich.« Gasam hob sie auf, als Soldaten in den Thronsaal stürzten.
    »Die Barbaren sind in der Stadt! Sie haben das Nordtor gestürmt!«
     
    Ansa stand wie gelähmt. Wie konnte das geschehen? Es war einer der leichtesten Schüsse seines Lebens gewesen. Statt des Feindes hatte er seine Freundin getötet. Von Schuld und Angst ergriffen, hörte er die Schreie. Ein paar Leute zeigten auf ihn, aber die meisten beachteten ihn nicht. Es herrschte ein Höllenlärm und er hörte, dass Barbaren in die Stadt eingedrungen waren.
    Sein gelähmter Verstand versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Das Knäuel Shasinnkrieger umringte Gasam und schlug ihm den Weg zur Tür frei. Die großen Speere sausten unablässig durch die Luft und die Wachen wichen langsam zurück. Selbst in seinem Zustand fiel Ansa auf, dass sie keine starke Gegenwehr leisteten.
    Dann fiel sein Blick auf Shazad. Gasam hielt sie wie ein Kind in der Armbeuge. Sie hatte die Hände auf die Seite gepresst. Sein Pfeil ragte wie eine Blume zwischen den Fingern hervor. Ihm wurde übel, als er den Rest des Pfeils aus ihrem Rücken ragen sah, über und über mit Blut bedeckt. Rote Tropfen fielen von der Spitze auf den Boden.
    Beinahe traf ihn der Speer, als er mit Entsetzen auf die Blutlache starrte. Das leise Sirren und ein Funkeln schienen aus weiter Ferne zu kommen, aber durch die Jahre der Ausbildung zum Krieger brauchte sein Körper keinen Verstand, um zu reagieren. Er wich aus und parierte mit dem, was er in der Hand hielt: mit seinem Bogen. Mit Stahl ummantelte Bronze verbiss sich tief in Holz und Horn. Am anderen Ende des Speers, inmitten der Instrumente der geflohenen Musikanten, stand der junge Shasinn, den er am Nachmittag verschont hatte. Der Umhang war verschwunden, und er sah dem Jungen ins Gesicht.
    »Larissa!« Der Speer steckte im Bogen fest, und Ansa zerrte an seinem Langschwert. Larissa war nicht groß, hielt den Speer aber mit beiden Händen umklammert, während er nur die linke Hand benutzte. Mit einem kräftigen Ruck und der Drehung des ganzen Körpers riss sie ihm den Bogen aus der Hand, als er endlich das Schwert aus der Scheide zog.
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