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Fremde Schiffe

Fremde Schiffe

Titel: Fremde Schiffe
Autoren: John Maddox Roberts
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ganze königliche Leibwache ihn bedrängt.«
    »Meine Herren, vielleicht weiß ich eine Lösung«, erklärte der Höfling.
    »Dann verrate sie uns.«
    »Nun, die Königin würde nicht zögern, einen von uns hinzurichten, wenn er ihr Ehrenwort verletzt, aber bei unserem jungen Freund Prinz Ansa ist das etwas anderes. Er ist kein Untertan. Er ist König Haels Sohn und hat im Krieg vorzügliche Dienste geleistet, denn immerhin entführte er Königin Larissa.« Der Mann breitete die Arme aus. »Bestimmt würde unsere Königin ihn bloß für einige Jahre vom Hof verbannen, wenn er Gasam umbringt.«
    Alle starrten Ansa an, der sich völlig entblößt vorkam.
    »Ja, er kämpfte zweimal gegen Gasam«, meinte Chutai. »Das ist mehr, als jeder Lebende, von seinem Vater abgesehen, behaupten darf. Aber ich weise euch darauf hin, dass es ihm nicht gelang, Gasam zu töten, und bei der letzten Begegnung wurde er beinahe umgebracht.«
    Der Beamte winkte ab. »Ich wollte nicht etwas so Törichtes wie ein Duell vorschlagen. Das ist viel zu riskant. Nein, die Steppenkrieger sind für ihre Schießkunst berühmt. Seht euch Prinz Ansas großen Bogen an, der am Sattel hängt. Gasam bewegt sich überall im Palast und in den Gärten völlig frei und wird ein gutes Ziel abgeben.«
    »Das ist feige!«, rief ein Offizier.
    »Dummes Zeug!«, blaffte Chutai. »Einen Insulaner zu töten ist nichts als Ungeziefervernichtung! Wenn Prinz Ansa das Untier mit einem Pfeil durchbohrt, schlage ich ihn für sämtliche Orden und Ehren vor, die es beim nevanischen Militär gibt. Niemand wird seinen Mut in Frage stellen.«
    »Dann sind wir uns einig?«, fragte der Beamte so hastig, dass er Ansas Misstrauen erregte. Doch Ansa brannte auf eine Gelegenheit, die Welt ein für alle Mal von Gasam zu befreien. Er würde auf die Ehre verzichten, ihn im Zweikampf zu besiegen. Genau wie die anderen zweifelte er daran, es zu schaffen. Wenn es jedoch gelang, ihn aus dem Weg zu räumen, war Larissa sicher nicht in der Lage, die Inselarmee ohne den König lange zu befehligen.
    »Wann?«, fragte Chutai. »Wahrscheinlich bereitet die Inselschlampe schon einen Angriff auf den Hafen vor. Vielleicht erfährt Gasam gerade, dass sie geflohen ist, und macht sich zur Abreise bereit.«
    »Der Prinz muss ihn so schnell wie möglich töten. Alles andere erledigen wir«, sagte der Beamte.
    »Was meinst du damit?«
    »Wir sorgen dafür, dass dir nichts geschieht. Wir kümmern uns um die Shasinnleibwache.«
    »Eine gute Idee. Auch wenn niemand zu sehen ist, wissen sie, nach wem sie suchen müssen, wenn ihr König von Pfeilen durchbohrt wird.«
    Er sprach ruhig, aber mit tödlichem Ernst. Zwar hatte er sich gut erholt, war aber noch nicht in Bestform. Ein halbes Dutzend wütender Shasinn würde ihn mit Leichtigkeit erledigen.
    »Wir kümmern uns darum«, versicherte der Höfling erneut. Ansa nahm sich vor, ihm keinesfalls zu trauen.
    Er ritt in weitem Bogen durch die Hügel und zur Stadt zurück. Die Verschwörer kehrten auf unterschiedlichen Wegen zum Hafen oder zu ihren Einheiten zurück. Ansa entdeckte die zum Nordtor führende Straße und trabte angenehm erschöpft zum Hafen, ein fettes Krummhorn am Sattel.
    Wenige Meilen vor dem Stadttor überholte ihn ein junger Shasinn. Er trug den Graskatzenumhang der Kuriere und an der Speerspitze hingen die weißen Federn, die seine Neutralität bekundeten. Er lief an dem Reiter vorbei, ohne ihm einen Blick zu schenken. Die bronzenfarbenen Haare waren in unzählige winzige Zöpfe geflochten, die im Takt der langen, mühelosen Schritte auf und ab hüpften.
    Ansa befürchtete, dass der Junge auf dem Weg zu Gasam war. Er nahm den Bogen vom Sattel und legte einen Pfeil an die Sehne. Langsam spannte er sie, während seine frisch verheilten Wunden protestierten. Die Straße war schnurgerade – ein einfacher Schuss. Die Haut des Jungen schimmerte im Sonnenlicht wie pures Gold. Er war zierlich und höchstens vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Die anmutigen, geschmeidigen Bewegungen verliehen ihm einen Hauch von herzergreifender Schönheit.
    Zoll für Zoll ließ Ansa die Sehne wieder zurückgleiten. Chutai hatte die Wahrheit gesagt, als er den Mord an Insulanern mit Ungeziefervertilgung verglich. Die Shasinn waren geifernde Bestien, Feinde aller Menschen. Dennoch war ihre natürliche Schönheit daran schuld, dass aus der unumgänglichen Vernichtung eine Tragödie wurde. Der Tod in der Schlacht war eine Sache, aber einen feigen Mord brachte Ansa nicht
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