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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Autoren: Claudio Paglieri
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und auf der Plane häufte sich das Laub. Er ließ seine Finger über die Keramikfliese mit der Aufschrift »Villa Patrizia«
     gleiten, dann drückte er zweimal auf die Klingel.

|415| Epilog
    (Die Wahrheit)
     
    »Es sind nur noch ein paar Minuten. Wir sollten gehen.«
    »Ich komme.«
    Giovanni Adelchi warf seinen leeren Teebecher in den Mülleimer, schnürte sorgfältig den rechten Schuh und nahm die Fahne.
     Er machte ein paar Dehnübungen und ging hinaus auf den Flur. »Ich gehe Tullio rufen. Sagst du den Mannschaften Bescheid?«
    »In Ordnung«, sagte Paolo Cavallo.
    Adelchi ging durch den Korridor, wobei er gegen seine Wut und seine Angst ankämpfte. Dieser Vollidiot ist ausgetickt vor lauter
     Kokserei, seine Nerven spielen verrückt. Ich hoffe, daß Colnago und Rebuffo ihn angerufen und beruhigt haben, sonst weiß ich
     nicht, wie das hier endet.
    Er kam an der Turnhalle vorbei, erreichte die Tür der Umkleide. Er schaute auf die Uhr, es war genau 15.58 Uhr. Wir müssen
     uns beeilen, ich hoffe, daß er sich nicht schon wieder eine Line reinzieht.
    Er öffnete die Tür und wich sofort zurück. Vor ihm stand Tullio Ferretti auf einem Stuhl, eine Schlinge um den Hals, die Hände
     auf dem Rücken. Er sah starr vor sich hin, während die Tränen wie von selbst liefen.
    »Tullio. Was soll die Scheiße?«
    »Ich schaff es nicht. Ich schaff es nicht mehr.«
    »Du bist verrückt. Komm da runter«, sagte er und trat in den Raum. Er schaute sich um: Auf dem Tisch lagen ein Zettel und
     ein Kugelschreiber.
    »Ich hab nicht den Mut, Giovanni. Ich wollte mich umbringen, aber ich hab den Mut nicht dazu.«
    |416| Adelchi wollte ihn festhalten, dann blieb er stehen. »Warum willst du dich umbringen?«
    »Weil ich ein Versager bin. Korrupt. Die Leute lachen mich aus, die Menschen, die ich liebe … betrügen mich. Ich bin nichts
     wert, ich habe nicht einmal den Mumm, Schluß zu machen.« Er schluchzte wie ein Kind.
    »Okay. Jetzt beruhige dich. Ich hol dich da ganz langsam runter, du trinkst ein Glas Wasser, und dann kehren wir aufs Spielfeld
     zurück.«
    Der Schiedsrichter sah ihn ungläubig an und gab ein fieses Lachen von sich.
    »Aufs Spielfeld? Ich will mich umbringen, und du sorgst dich um dieses verschissene Spiel? Was ist los, hat dein Boß einen
     weiteren Elfer verlangt?«
    »Er ist auch dein Boß, mein Guter.«
    Ferretti kniff die Augen zusammen: »Nein. Für mich gibt es keinen Boß mehr. Ich mache nicht mehr mit.« Er zerrte an der Fessel,
     um seine Hände zu befreien.
    »Ich steige jetzt hier runter und zeig dir, wozu ich fähig bin. Ich sorge für einen Skandal, wie man ihn noch nicht erlebt
     hat, ich lasse die Köpfe all dieser Aasgeier rollen.«
    Der Linienrichter ging rückwärts zur Tür. Während er den Schiedsrichter im Auge behielt, warf er einen Blick in den Flur und
     sah, daß er verlassen war.
    Tullio Ferretti sah ihn wieder auf sich zukommen und schrie: »Nein!« Dann spürte er, wie seine Füße den Halt verloren, wie
     die Schlinge sich um seinen Hals zog. Er versuchte die Hände freizubekommen, doch es gelang ihm nicht, er sah, wie Adelchi
     zur Seite schaute, wie er den Zettel nahm und dabei den Kugelschreiber herunterwarf. Wie in Zeitlupe verfolgte er, wie der
     Pfeil unter die Trittleiste flog. Seine Kehle brannte wie verrückt, er spürte, wie sein Schwanz anschwoll und dachte an die
     Brasilianerin, die ihn erstickte und ihm befahl zu kommen. Er riß die |417| Augen auf, schnappte nach Luft und sah wieder Adelchi, der das Handy einsteckte und auf der Schwelle stehenblieb, um zu lauschen,
     und tatsächlich hing in dem Zimmer ein langgezogener, rauher Ton, vielleicht war es die Luft, die endlich kam, nein, es war
     Maria, die gemeinsam mit ihm zum Orgasmus gelangte, und es war wunderbar, nein, es war sein Todesröcheln, und es dauerte so
     lang, endlos lang, nahm kein Ende mehr …
    Adelchi hörte den Hall einer Stimme und sprang aus dem Zimmer – er wagte nicht, seinen Freund anzusehen. Er verschloß die
     Tür, steckte den Schlüssel ein und sah Cavallo am Ende des Korridors auftauchen.
    »Ich klopfe schon die ganze Zeit, aber er gibt keine Antwort. Die Tür ist abgeschlossen.«

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Informationen zum Buch
    Zweite Halbzeit im Fußballstadion von Genua: Eine aufgebrachte Fangemeinde wartet fiebernd auf den Fortgang des Spiels. Doch
     der Schiedsrichter lässt auf sich warten. Als man endlich die Tür seiner Kabine öffnet, pendelt Tullio Ferretti leblos an
     der Decke.
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