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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Autoren: Claudio Paglieri
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erreicht.«
    »Folglich hältst du das Ganze für reinen Zufall, so unwahrscheinlich es scheint.«
    »Ich weiß nicht. Aber man kann nie alles wissen. Es gibt nur einen Menschen, der die Wahrheit in allen Einzelheiten kennt,
     aber der kann sie keinem mehr erzählen.«

|411| Samstag
    Er kam am Abend gegen halb acht Uhr auf den Parkplatz und fand mühelos eine Lücke; die meisten Leute waren mit dem Auto schon
     wieder auf dem Heimweg, ihre Stunden der Entspannung waren vorbei, in denen sie am Strand einander auf die Zehen getreten
     und ins schmutzige Salzwasser gehüpft waren. Als Luciani an dem Hotel vorbeikam, in dem er die erste Nacht mit Sofia Lanni
     verbracht hatte, würdigte er es nur eines flüchtigen Blickes; er bog in den Spazierweg ein und setzte eine dunkle Brille auf,
     um sich gegen das grelle Licht der untergehenden Sonne zu schützen. Um diese Uhrzeit sah das Dorf wunderschön aus, die Temperatur
     war ideal, die vereinzelten Pärchen, die an den Tischen saßen und ihren Aperitif hinauszögerten, verliehen der Szenerie eine
     lebendige, unbeschwerte Note.
    Aus dem Erdgeschoß eines Hauses schallte die Stimme eines Kommentators, der eine Torszene beschrieb – der geheiligte Ritus
     wurde wieder zelebriert. Man hatte sich reumütig an die Brust geklopft, Ferretti ein paar Schweigeminuten gewidmet, und nun
     tobte der Lärm lauter denn je. Der Kommissar ging auf den kleinen Hafen zu, er fädelte sich in die engen Arkaden ein und erreichte
     den äußersten Punkt der Mole, wo er sich ein stilles Plätzchen suchte. Er setzte sich auf einen Felsen und verweilte dort,
     ohne nachzudenken. Unbewußt wiegte er sich vor und zurück, vor und zurück. Der Kommissar mochte diese ritualisierten Handlungen,
     es waren Riten des Übergangs, die er, wie er meinte, genau befolgen mußte, damit er eine Lebensphase hinter sich lassen und
     eine neue beginnen konnte.
    |412| Aus der Innentasche des Jacketts holte er das lederne Zigarrenetui und nahm vorsichtig die Partagas heraus, wobei er mit den
     Fingern nur die Banderole berührte. Er atmete den penetrant-femininen Duft, befeuchtete die Zigarre langsam mit Lippen und
     Zunge und dachte dabei an Sofia Lanni, ihren formvollendeten Hintern, ihre hellgrünen Augen. Er dachte auch an Greta, an ihre
     Tränen voll ohnmächtiger Wut. Die einen benutzen die anderen, die anderen werden benutzt. Mancher weiß, daß er benutzt wird,
     tut aber, aus Schwäche oder Berechnung, als merke er nichts davon. Jeder von uns muß früher oder später jede der drei Rollen
     spielen.
    Mit dem Wohnungsschlüssel bohrte er ein kleines Loch in die Spitze der Zigarre, dann setzte er sie mit drei, vier tiefen Zügen
     in Brand. Es war die Zigarre auf seinen Sieg, doch sie konnte den bitteren Geschmack nicht vertreiben, den er seit Abschluß
     des Falles im Mund hatte.
    Er rauchte eine ganze Weile und schaute dabei zu, wie die Sonne auf den Horizont sank. Er dachte an seinen Vater, an den Schiedsrichter,
     den Manager, den Staatsanwalt und an all die anderen Leute, von denen er sich nicht hatte korrumpieren lassen. Und er dachte
     an die Miene, die der Polizeipräsident am übernächsten Morgen aufsetzen würde, wenn er auf seinem Schreibtisch Pistole, Dienstausweis
     und Kündigungsschreiben des Kommissars fand. Er würde versuchen, ihn umzustimmen, würde ihm eine Reihe neuer Posten in Aussicht
     stellen, in Genua und anderen Städten, aber Marco Luciani wußte bereits, daß all diese Worte hohl klingen würden, nachdem
     sein Chef ihn nicht mit einem einzigen Wort gegen die Anwürfe der Carabinieri verteidigt hatte.
    Luciani war stolz, daß er recht gehabt hatte, daß er aus der ganzen Affäre als moralischer Sieger hervorging. Aber es war
     zu mühselig, so zu leben, sich ans Flußufer zu setzen |413| und auf die Leichen der anderen zu warten. Wenn sie schließlich vorbeikamen, dann fiel einem ein, daß irgendwo flußabwärts
     jemand saß, der auf die eigene Leiche wartete.
    Die Partagas war fast aufgeraucht, er zog noch zwei, drei Mal daran, als wären es die letzten Atemzüge vor einem Tauchgang.
     Er wartete, bis die Sonne ganz untergegangen war, dann ging er langsam zum Auto zurück, startete den Motor und fuhr die Straße
     bis zum Boschetto hoch. Er kam an das Tor der elterlichen Villa und stieg mit leicht zittrigen Beinen aus dem Wagen. In der
     Küche brannte Licht, eine frische Brise, ein Duft nach Rosen und Jasmin, wehte über die Einfahrt. Der Pool war immer noch
     abgedeckt,
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