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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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Ich weiß doch auch nicht. Aber sonst kann ich mir nicht denken, was die dort wollen. Ist doch Kriegsgebiet da. Dort wird doch geschossen.«
    Agnes Schabowski fand auch keine logische Erklärung, warum die Täter nach Südosteuropa flohen. Vielleicht wollten sie wirklich zu Danny, dem großen Bruder. Vielleicht hofften sie, in dieser Gegend besser verschwinden zu können. Das würden andere zu klären haben, nicht sie. »Das war’s fürs Erste, Frau Thede.« Die förmliche Anrede kam ihr seltsam vor, Patti saß vor ihr wie ein Kind. »Wir werden uns wieder unterhalten, Patti, für heute reicht es erst einmal.« Und Agnes Schabowski reichte der Zeugin die Hand.
    »Kann ich gehen?«
    »Nein.« Schabowski konnte an so viel Naivität nicht glauben. Spielte ihr Patti etwas vor, und sie fiel darauf rein? Konnte sie wirklich glauben, dass sie unschuldig war und nach Hause gehen durfte? »Sie bleiben in U-Haft.« Es klang wie ein Befehl.
    »Aber, Danny der Zweite!«
    »Wer ist Danny der Zweite?«
    »Unser Hund, wer kümmert sich denn um den jetzt?«
    »Patti«, die Kommissarin musste die Zeugin jetzt wirklich duzen, »du kannst deine Freunde oder Nachbarn informieren, aber hier weg kannst du nicht.« Beinahe hätte sie leider gesagt.
    »Wir wollten ihn heute aus dem Tierheim holen. Philip hat sich so drauf gefreut. Ist so, als wäre der Danny noch da!«
    Kinder, dachte Schabowski, das sind ja Kinder, und klingelte nach dem Wachpersonal.
    »Wie lange werd ich denn hierbleiben müssen? Nicht, dass der Hund weg ist danach. Sie bewahren sie im Tierheim nicht lange auf und wenn ein andrer …«
    »Bis zum Prozess kann das dauern. So lange bleiben Sie inhaftiert.«
    »Aber ich habe doch mit dieser Entführung gar nichts zu tun! Und der Hund braucht ein Herrchen.«
    »Tut mir leid, Patti. Alles andere klärt der Richter, Frau Thede. Sie müssen ihm morgen vorgeführt werden.«
    »Morgen würde noch gehen. Bis Montag müssen wir Danny abgeholt haben.« Alles drehte sich bei dem Mädchen plötzlich um diesen Hund. Dabei waren drei Menschen erschossen worden, und die Täter standen ihr sehr nahe.
    Schabowski fehlten die Worte. Der Beamte holte endlich die Zeugin, um sie zur Zelle zu bringen. Vitali Kreuzpointner blickte die Kommissarin lächelnd von der Schreibunterlage her an. Sie schob seine Visitenkarte darunter hervor. Ohne nachzudenken, wählte sie die Nummer. Vitalis Stimme verursachte ihr Bauchkribbeln.
    »Vitali?«
    »Ja.«
    »Hier Agnes Schabowski. Ich wollte mal fragen, ob Sie heute mit mir heute essen gehen würden. Ich mache grade Feierabend.«
    Schabowski bemerkte, dass er überlegte. Sie hätte den Anruf bleiben lassen sollen. Wie kam sie überhaupt dazu.
    »Ja, gern. Sagen wir acht Uhr Sol y Mar?«
    »Ja«, antwortete sie und musste bis dahin unbedingt noch eine Gurkenmaske auflegen. »Ich freue mich drauf.« Schabowski freute sich wirklich.

17:15
     
    Sie hatten bemerkt, dass es Neuigkeiten gab, und waren begierig. Die Journalisten saßen wieder dichtgedrängt im Saal. Miersch stand am Eingang und sah sie alle, und er sah die Schlagzeilen in ihren Augen. Geiseldrama! Doppelmord! Entführung! Mafia in Leipzig City! – Was tut die Polizei? Drei, zehn, hundert Fragezeichen.
    Miersch sah natürlich Hönig, der lächelte in der ersten Reihe, als gäbe es Geburtstagskuchen. Cornelia Biederstedt, BILD, ordnete ihre Notizen, um Fangfragen zu stellen. Alexander Grunow vom mdr-Fernsehen suchte nach passenden Motiven für die Kamera. Der Saal gab keine her. Miersch unterschied in den Gesprächen Englisch und Französisch und Arabisch, vernahm aber noch mindestens fünf weitere Sprachen. Auf Anmeldezetteln hatten Reporter von CNBC, BBC und AI Dschasira gestanden und ihr Kommen angekündigt. Bad news are good news. Leipzig hatte letztmalig im Herbst 89 weltweite Schlagzeilen geschrieben. Die Stadtmarketingabteilung würde sich freuen, wenn auch der Anlass ein furchtbarer war. Mit Krankenhausserien und Zoo-Dokus erreichte man nur die Herzen in Deutschland. Heute war das anders, die Welt litt mit Leipzig, zumindest mit ihren Opfern.
    Es war kein Platz mehr im Raum. Miersch bahnte sich einen Weg durch die Massen. Die Menschen traten zur Seite, er schritt durch die Menge wie ein Messias. Die TV-Teams hatten die Kameras an der hinteren Wand positioniert. Die Mikrofone bildeten auf dem Tisch einen Wald. Es herrschte ein Murmeln, dass durch sein Kommen nur kurz unterbrochen wurde. Zwei Handkameras verfolgten ihn auf dem Wege zum Pult.
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