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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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Sie hallten über die Weite des Weges, hallten im Dickicht der Wälder, waren überlaut hier im Auto. Frederike hielt sich die Ohren.
    Sie sah aus dem Fenster. Schrecklich. Ganz schrecklich. Überall liefen die Toten in endloser Reihe. Sie liefen wie Soldaten in einen bevorstehenden Krieg. Heerscharen eines Herrn der Ringe. Antike Krieger in Troja. Armeen galaktischer Herrscher. Frederike lief im Gleichschritt unter ihnen und hatte keine Chance, jemals diesen Schmerzenszug verlassen zu können. Die Schlacht würde folgen. Das Ende. Der Höllenschlund. Der Zug raste. Die Toten rannten. Frederike fuhr. Der Blick aus dem Fenster deprimierte. Schwarze Mauern säumten die Straße. Uneben war der Belag und brüchig. Sie spürte Steine und Löcher. So mussten die Toten in den Abgrund fahren, dachte sie, und sie gehörte zu ihnen. Wahnsinn – warum schickst du mich in die Hölle? Sie hatte geredet, geschrien, geheult, wollte raus aus diesem Abteil, diesem Zug, fort von den Menschen, die keine mehr waren. Sie hatten ihr keine Chance gegeben, und die, die sie hatte, hatte sie nicht genutzt. Hölle. Es gab nur diesen einen Weg noch. Hölle. Hölle. Hölle.
    Keine der sie umgebenden Gestalten nahm von ihr Kenntnis. Sie schauten sie nicht einmal an. Aber Frederike fürchtete, dass sie in leere Augen blicken musste, wenn sie sich zu ihr umdrehten, dass ihr knochige Finger gereicht wurden, dass das Lachen des Teufels aus dem Schlund hallte. Aus dem tiefen Schlund. Aus der Unterwelt. Vom Ende. Und unten leuchtete kein blaues Licht, das den armen Soldaten noch rettete. Es war einmal … Die Hölle. Hölle. Hölle.
    Die Fahrt nahm kein Ende, schien immer schneller und schneller zu werden. Sie rollten über die Schandorte des Planeten, sprangen über die Spalten der Greuel, kletterten auf die Berge des Elends bis hin zum endgültigen Abgrund. Frederike stellte sich vor, dass sie dort wie die Lemminge ins Meer stürzen würden. Sie versuchte, sich zu befreien. Ihre Tür war verschweißt. Die Toten hatten sämtliche Ausgänge verbarrikadiert. Sie wollte hier raus, raus, raus!
    Und dann sah sie die Feuerwand. Sie rasten direkt auf sie zu. Der Qualm umschlug sie wie Seifenschaum. Anheimelnd und wohlig warm. Er biss nicht in ihren Augen. Angenehm der Geruch gebratenen Fleisches. Sie grillten. Das Feuer machte die Wälder, die Toten, das Auto sehr farbig. Grün. Blau. Rot. Rot. Rot. Das Inferno.
    Die Totenmasken rasten direkt in das Inferno hinein. Nein! So wollte Frederike nicht sterben. Nicht durch Feuer, nicht wie die Hexen auf einem Scheiterhaufen verbrannten. Nein!
    Der Wagen raste durch all diese Toten mitten ins Feuer, mitten ins Feuer. Reisig und Stroh hatten ihn zum Lodern gebracht. Miau! Mio! Miau! Mio! Bleib stehn! Sonst brennst du lichterloh! Die Flammen schlugen himmelwärts Schneisen. Krähen flogen und kreischten. Die Hölle war wirklich.
    Der Tote am Steuer fuhr ohne Rücksicht. Flammen links. Flammen rechts. Der Höllenschlund riss das Maul auf. Miau! Mio! Miau! Mio! Frederike musste das verhindern. Sie beugte sich über den Fahrer, griff ihm ins Lenkrad. Der Wagen schleuderte. Der Wagen drehte. Der Wagen stand auf dem Kopf. Sie glitten einen Abhang hinunter, durch alle die Toten hindurch. Das Feuer loderte. Miau! Mio! Miau! Mio! Die Flammen kamen direkt auf sie zu. Sie verbrannten ihr alle Gedanken. Wahnsinn – warum schickst du mich in die Hölle? Es gab kein Zurück. Hölle. Hölle. Hölle.

Sonntag
    5:30
     
    »Es tut mir leid. Wir hoffen das Beste.«
    Bruno Ehrlicher merkte, dass Bastian Michalk die Worte fehlten. Es war dem jungen Kommissar unangenehm, neben ihm sitzen zu müssen. Das Flugzeug war noch nicht einmal gestartet. Ehrlicher sah aus dem Fenster, um es Michalk zu erleichtern.
    Die letzten Reste der Nacht hingen in den Bäumen. Die Morgensonne wärmte nicht, versuchte, den Tau auf den Wiesen zu löschen. Ehrlicher war kalt, obwohl im Flugzeug geheizt wurde. Er hörte die Lüftung, sie stieß lauwarme Luft aus. Ehrlicher zog sich die Jacke enger um seine Schultern. Er wusste nicht, was ihn am Ende der Reise erwarten würde. Leben oder Tod? Eine lächelnde Frederike oder ihr Körper im Zinksarg? Und Kain würde ihm Auskunft geben müssen, bevor er ihn aus seinem Leben strich. Kain trug die Schuld, wenn Frederike diesen Unfall nicht überlebte.
    Andrea Dressel hatte Bruno Ehrlicher gestern Abend gegen halb neun an der Schulter gefasst und sanft geweckt. Ehrlicher war erschrocken, er muss auf der Bank eingenickt
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