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Frederica - sTdH 6

Frederica - sTdH 6

Titel: Frederica - sTdH 6
Autoren: Frederica - sTdH 6
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vermittels harter Arbeit, Fleiß und Ehrlichkeit zum Kammermädchen
hochgearbeitet habe. Auch der zweite Empfehlungsbrief, von einer Mrs.
Hamworth, sang ein Loblied auf dieses außergewöhnliche Kammermädchen.
Frederica war der Ansicht, daß die Arbeit einer Zofe nicht zu anstrengend sei
und auch nicht zu viel Erfahrung erfordere.
    Das Problem
war, daß sie es nicht wagte, sich vom Seminar aus um eine Stelle zu bewerben.
Sie mußte von der Schule weglaufen und an der Küchentür des Herzogs mit ihren
Briefen auftauchen und den Rest dem Schicksal überlassen.
    Der letzte
Brief, den sie zu schreiben hatte, war der schwierigste von allen. Sie konnte
den Gedanken nicht ertragen, daß sich ihre Familie über ihr Verschwinden
furchtbare Sorgen machte, und so beschloß sie nach vielem Nachdenken, an ihre
älteste Schwester Minerva zu schreiben.
    Nach dem
ersten Satz legte Frederica den Federkiel hin und stützte das spitze Kinn auf
die Hand. Sehnsüchtig dachte sie an ein fernes Zauberreich voller Sonnenschein
und prunkvollen Papageien, Palmen und blauem Meer, an ein Land,
wo man den Namen Sarah Millet nicht kannte, und wo sie, Frederica, als große
Schönheit gefeiert würde. Sie seufzte und tauchte den Federkiel in das
Tintenfaß auf der Schreibgarnitur und schrieb weiter: »Da ich keine Hoffnung
habe, eine gute Partie zu machen, weil ich gar nicht gut aussehe, meine ich,
daß eine Saison eine unnötige Geldausgabe wäre. Ich kann den Gedanken nicht
ertragen, liebe Minerva, Sarah Millet als Stiefmutter zu haben. Ich fürchte,
sie liebt Papa nicht, sondern benutzt ihn nur für ihre verderbenbringenden
Zwecke.« ›Verderbenbringende Zwecke‹ war ziemlich dick aufgetragen, aber
in den Romanen, die Frederica so gerne las, benutzten die Leute immer andere
Leute für ihre verderbenbringenden Zwecke. »Deshalb laufe ich weg. Mach Dir
keine Sorgen um mich, sondern sei meiner Liebe und Zuneigung versichert und
grüße auch meine anderen lieben Schwestern. Deine Dich liebende Freundin und
Schwester Frederica.«
    Eine Träne
verwischte die Unterschrift. Frederica fühlte sich sehr jung und allein. Aber
ins Pfarrhaus mit Sarah Millet zurückgehen – nein, das wollte sie nicht!
    Sie
bestreute die Briefe mit Sand. Den an Minerva wollte sie wegschicken, sobald
sie die Schule verließ.
    Nun zu
ihrer Flucht.
    War es
wirklich notwendig, sich mitten in der Nacht an zusammengeknoteten Bettüchern
hinunterzulassen?
    Frederica
nahm den Federkiel wieder zur Hand. Der nächste Brief, den sie schrieb, kam
angeblich von ihrem Vater.
    Sie machte
seine großen, plumpen Schriftzüge und seine schreckliche Rechtschreibung
geschickt nach. Der gefälschte Brief wandte sich an die Leiterin des Seminars,
Miß Grunton, und der Pfarrer bat darin, seine Tochter in eine Postkutsche zu
setzen und nach Hause zu schicken. Miß Grunton könne den Rest des Schulgeldes
behalten, das er im voraus bezahlt hatte. Frederica hatte vor, die Postkutsche
einfach zum Haus des Herzogs vom Pembury umzuleiten. Nein, das war keine gute
Idee! Wenn man ihre Flucht entdeckte, würde man den Kutscher fragen, und der
würde erzählen, daß er sie nach Hatton Abbey, dem Haus des Herzogs gebracht
habe. Frederica legte die Stirn in nachdenkliche Falten. Dann hellte sich ihre
Miene auf. Sie würde den Kutscher bitten, sie zu einem anständigen Gasthof ganz
in der Nähe der herzoglichen Residenz zu bringen, und ihn dann wegschicken. Auf
diese Weise konnte sie sich mit einem guten Mahl stärken, bevor sie sich der
schweren Prüfung unterzog.
    Am Vortag
war für Frederica ein Brief von Squire Radford, einem Freund und Nachbarn
ihres Vaters, angekommen. Der Squire hatte nur kurz geschrieben, was es in
Hopeworth Neues gab. Aber sie konnte Miß Grunton sagen, daß sich der Brief
ihres Vaters in dem des Squires befunden hatte.
    Das Seminar
gehörte zu den teuren, und Frederica hatte ein eigenes Zimmer. So konnte sie
beginnen, ihre Sachen zu packen, ohne daß sie jemand dabei beobachtete.
    Nach einer
halben Stunde fühlte sie sich stark genug, Miß Grunton aufzusuchen.
    Miß Grunton
war eine große, dünne Dame, die gestärkte Hauben trug, die ungeheuer hoch und
steif waren. Ihre Augen waren kurzsichtig und wässerig, und ihre Nase war lang
und rot. Wie immer roch sie nach einer Mischung aus Chlorlauge, Parmaveilchen
und Gin.
    Als
Frederica eintrat, ließ Miß Grunton mit der Lässigkeit, die das Ergebnis
langer Übung war, eine dicke, grüne Glasflasche in der Blumenvase auf
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