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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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1972 neue Höhepunkte. Und die Regierung Meir legalisierte die ersten »wilden« jüdischen Siedlungen
     in den besetzten Palästinensergebieten – womit eine unheilvolle Entwicklung begann, die den Friedensprozess im Nahen Osten
     bis heute behindert. Golda Meir wollte Frieden mit den arabischen Nachbarn, aber mehr als Waffenstillstände waren in ihrer
     Zeit nicht zu erreichen. Und selbst diese hielten nicht an. Am Jom-Kippur-Tag (6. Oktober) des Jahres 1973, einem hohen jüdischen
     Feiertag, schlugen ägyptische und syrische Truppen überraschend und mit ungeahnter Wucht los. Nur mit äußerster Mühe und in
     langen, erbitterten Kämpfen konnte Israel sich diesmal seiner Feinde erwehren. Als auf Druck der Vereinten Nationen am 11.
     November ein Waffenstillstand zustande kam, war man in Israel wieder Herr der Lage. Aber den Nimbus der Unbesiegbarkeit hatte
     der junge Staat verloren. 2600 Israelis waren gefallen, und die Ministerpräsidentin musste in zahllosen Gesprächen den Angehörigen
     Rede und Antwort stehen.
    Auch in der Öffentlichkeit sah sich die Regierung heftigster Kritik ausgesetzt. Die Beinahe-Niederlage saß tief im Bewusstsein
     aller. Die Regierung zerfiel, Golda Meir gelang es nicht, eine neue zu bilden. Im April 1974 fasste sie den Entschluss, aufzuhören.
     Neuer Regierungschef wurde Itzhak Rabin, ein
Sabra
, ein im Land Geborener. Das war in Golda Meirs Sinne. Die Generation, der sie angehörte, trat ab, eine neue übernahm das
     Ruder. Die große alte Dame Israels zog sich in ihr Reihenhaus in einem Vorort von Tel Aviv zurück. Sie starb in Jerusalem
     am 8. Februar 1978.

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    |241|
Indira Gandhi
    Die Söhne mehr geliebt als das Land?

    |242| Unterinspektor Beant Singh trat ehrerbietig zur Seite, legte die Hände aneinander und verneigte sich, als Indira Gandhi im
     Palastgarten von Neu-Delhi an ihm vorüberschritt. Kaum hatte sie ihn passiert, zog er seine Pistole und feuerte der Premierministerin
     fünf Pistolenschüsse in den Rücken. Sein Kollege Satwant Singh, ein Bodyguard der Regierungschefin, riss wie zur Verteidigung
     die Sten-MP hoch – und jagte der Stürzenden einen Feuerstoß von 25 Schuss in den Leib. Der Mord geschah am 31. Oktober 1984.
    Die Namen der Täter verrieten sofort ihr Motiv:
Singh
bedeutet »Löwe« und ist Bestandteil des Namens von männlichen Sikhs, den Anhängern einer Religion, die ihr Hauptheiligtum
     im Goldenen Tempel von Amritsar hat. Indische Truppen hatten das Gotteshaus wenige Monate zuvor nach bürgerkriegsähnlichen
     Unruhen im Pandschab auf Frau Gandhis Befehl gestürmt. Dennoch hatte sie sich geweigert, die Sikhs aus ihren Diensten zu entlassen,
     und die Gefahr, in die sie sich begab, ignoriert. Auch darin folgte sie ihrem Vorbild Mahatma Gandhi, der die Gewaltlosigkeit,
     die er predigte, mit dem Leben bezahlt hatte.
    Mehr verband Indira nicht mit dem gleichnamigen, aber nicht mit ihr verwandten Mahatma, vielmehr war sie eine durchaus nüchtern
     kalkulierende, ja sogar extrem misstrauische Politikerin. Religiöse Eiferer passten nicht in ihr Bild von Indien und nicht
     in ihr Konzept der inneren Einigung. Gerade auch die Beschäftigung der beiden Sikhs in ihrer engsten Umgebung sollte dafür
     ein Signal sein. Ihre Feinde deuteten es als Zeichen der Schwäche und nutzten die Situation kaltblütig aus. Die Bluttat erschütterte
     das große Land tief. Dennoch war die Frage der Nachfolge schnell geklärt: Der indische Staat war durch Indiras Familie zu
     einer Art dynastischen Demokratie geworden – verkommen, behaupteten ihre Gegner.
    Die am 19. November 1917 in Allahabad geborene Indira war von ihrem Vater Jawaharlal Nehru, genannt
Pandit
(»Gelehrter«), schon sehr früh auf politische Führungsaufgaben vorbereitet worden. Dies in einer Zeit, als noch gar nicht
     absehbar war, ob sich die indische Unabhängigkeitsbewegung, die er führte, gegen die britische Kolonialmacht je würde behaupten
     oder gar durchsetzen können. Nehru, der damals mehrfach Gefängnisstrafen absitzen musste, schrieb dem Kind Briefe mit politischem
     Inhalt. Er skizzierte darin den bisherigen Verlauf der Weltgeschichte und analysierte die momentan wirkenden Kräfte. |243| Einen Brief aus der Haft im Jahr 1930 schloss er mit den Worten: »Wir leben in einem Zeitalter der Revolution, einer Revolution,
     die mit dem Ausbruch des Weltkrieges im Jahr 1914 begann … Der Gang der Ereignisse scheint schneller denn je zu sein. Das
     Tempo ist beschleunigt, und
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