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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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war. Genau
     genommen verdankte sie den Parlamentariern sogar das Leben. Sie wollten nicht wie in Frankreich Unruhen riskieren, wenn das
     Herrscherhaus ausstürbe, und forderten von den noch lebenden Mitgliedern ehelichen Nachwuchs. Viktoria kam 1819 und damit
     noch früh genug auf die Welt, um als Achtzehnjährige die Nachfolge anzutreten, als der Thron dann tatsächlich verwaiste. Sie
     konnte die väterliche welfische Linie des Hauses Hannover aber nicht fortsetzen. Ihre Ehe mit Albert von Sachsen-Coburg-Gotha
     brachte dessen Dynastie nach England. Viktorias Beispiel zeigt bereits einen Machtverlust der Potentaten, der wenig später
     anderen Frauen zu Bedeutung verhelfen sollte. Abgeordnete und damit das Volk oder doch dessen mächtigste Repräsentanten hatten
     ihr die Krone beschert. Bald sollten Frauen qua eigener Leistung aufsteigen können und mussten nicht mehr Ehemann oder Vater
     beerben.
    Eine, der das noch zu Viktorias Zeiten gelang, war Bertha von Suttner. Sie nutzte die modernen publizistisch-politischen Möglichkeiten,
     noch ehe Frauen den direkten politischen Weg einschlagen konnten. Mit ihren pazifistischen |9| Schriften erreichte sie ein so breites Publikum, dass sie politisches Gewicht und Einfluss auf Einflussreiche gewann. Auch
     wenn sie letztlich scheiterte, so entwickelten ihre Gedanken doch eine Depotwirkung, die bis heute anhält und die Baronin
     zu einer der großen Ideengeberinnen der neuesten Zeit gemacht hat. Sie steht da in einer Reihe mit einer Frau, deren Lebenszeit
     sich mit ihrer teilweise überschnitt, die aber drei Jahrzehnte jünger war und deswegen schon ganz andere, nämlich parteipolitische
     Möglichkeiten hatte: Rosa Luxemburg stieg in der jungen sozialistischen Bewegung auf und zeigte, dass Frauen auch aus eigener
     Kraft erhebliche politische Wirkung entfalten können und zu Recht wie ihre Zeitgenossin Emmeline Pankhurst das Wahlrecht forderten
     und schließlich durchsetzten. Allerdings mussten und müssen sie, und auch dafür stehen die Revolutionärin Rosa Luxemburg und
     die Suffragette Pankhurst, für gleichen Erfolg weit mehr Kraft investieren und mehr Opfer bringen als ihre männlichen Kollegen.
     Daran hat sich bis in die Gegenwart wenig geändert.
    Unsere beiden jüngsten Beispiele aus dem 20. Jahrhundert, die schon erwähnte Indira Gandhi und die Israelin Golda Meir, sprechen
     nicht gegen den Befund. Frau Gandhi kam sozusagen aus einer demokratischen Dynastie und konnte qua Beziehungen und Förderung
     durch ihren Vater Nehru das weibliche »Handikap« wettmachen. Natürlich beruhte ihr Aufstieg auch auf eigenen Leistungen und
     auf einem außergewöhnlichen politischen Gespür, doch eben nicht nur. Im Fall der israelischen Premierministerin Meir förderte
     die Ausnahmesituation ihres jungen Landes die Karriere. Der enorme arabische Druck auf das jüdische Gemeinwesen ließ Fragen
     nach dem Geschlecht von Politikern als nebensächlich zurücktreten. In den Aufbaujahren wurde jeder gebraucht. Und wie Frauen
     in Israel ganz selbstverständlich Wehrdienst zu leisten haben, so wurde jedes politische Talent begrüßt und konnte aufsteigen
     ohne Ansehen des Geschlechts. Und Frau Meir bewies, dass auch eine Frau notfalls Krieg führen und die dafür erforderliche
     Härte aufbringen kann.
    Bemerkenswert an den letzten beiden Persönlichkeiten ist, dass sie zwar wie alle ausgewählten europäisch oder doch westlich
     orientiert waren, aber in Regionen zur Macht kamen, in denen die männliche Dominanz traditionell noch stärker ist als in Europa
     selbst. Hier aber dauerte es ein paar Jahre länger, nämlich bis zu Margaret Thatcher im Jahr 1979, ehe eine Frau in eine derart
     entscheidende Position aufrückte. Die »Eiserne Lady« fehlt in unserer Sammlung, weil lebende Personen nicht berücksichtigt
     sind. Sie bietet aber gerade wegen ihres »metallischen« Spitznamens Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob politisch erfolgreiche
     Frauen den Aufstieg eher »männlichen« Charakterzügen verdanken. Das ist natürlich ein weites definitorisches Feld, auf dem
     Einigkeit über wesensmäßig Männliches oder Weibliches kaum zu erzielen ist. Allenfalls diffuse, von Vorurteilen gefärbte Merkmale
     ließen sich ausmachen, weswegen nur kurz die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede männlicher und weiblicher |10| politischer Laufbahnen skizziert werden sollen, wie sie sich anhand unserer Porträts herausschälen.
    Politische Menschen wollen Macht, und die Gier
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