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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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die Veränderungen überstürzen sich … Das ist das Heute. Die Schaffung des Morgen liegt bei Dir
     und Deiner Generation, den Millionen Mädchen und Jungen auf der ganzen Welt, die heranwachsen und sich darauf vorbereiten,
     in diesem Morgen eine Rolle zu spielen.« Und er wünschte sich, Indira werde »zu einem Kind des Lichts heranwachsen, furchtlos,
     heiter und unerschütterlich«.
    Die aus Kaschmir stammende Familie gehörte zu den privilegierten Kreisen, und schon von klein auf bestand für das Mädchen
     nie ein Zweifel daran, dass sie für bedeutende Aufgaben bestimmt war. Im Elternhaus gingen wichtige indische Politiker ein
     und aus, und der wichtigste von allen, nämlich der Mahatma, zeigte eine besondere Vorliebe für Indira. Sie litt nie unter
     dem Gefühl, zu einem »untergeordneten Geschlecht« zu gehören, denn Frauen genossen, anders als in der indischen Gesellschaft,
     im Hause Nehru dasselbe Ansehen wie Männer. Auch die Mutter Kamala engagierte sich in der Politik.
    Vielleicht hätte sie das wohl noch intensiver getan, wenn sie nicht an schwerer Lungenkrankheit gelitten hätte. Das zwang
     sie zu langen Kuraufenthalten in der Schweiz, wohin sie die Tochter 1926/27 begleitete. Diese Krankheit und der damit verbundene
     frühe Tod der Mutter 1936 warfen neben den häufigen Verhaftungen des Vaters dunkle Schatten auf eine sonst behütete Kindheit
     und Jugend. Nach dem standesgemäßen Schulabschluss folgte ein Studium in Oxford sowie an der berühmten, vom Philosophen Rabindranath
     Tagore gegründeten Privatuniversität Shantiniketan in Bengalen. Geschichte war ganz im Sinne des Vaters das Hauptfach.
    Für Nehru war Indira schon in dieser Zeit eine wichtige Beraterin, woran auch die Eheschließung 1942 mit dem Jugendfreund
     und Journalisten Firoze Gandhi wenig änderte. Vielleicht auch deswegen scheiterte die Ehe schon 1947, aus der die Söhne Rajiv
     Ratan (geboren 1944) und Sanjay (geboren 1946) stammten. Schon im Jahr zuvor war Indira in ihr Elternhaus zurückkehrt, um
     dort Haushalt und Büro zu leiten. Zu tun gab es mehr als genug, denn nun zeichnete sich eine Lösung des kolonialen Problems
     ab. Großbritannien konnte nach dem desaströsen Weltkrieg dem Subkontinent die Unabhängigkeit nicht länger vorenthalten. Die
     Teilung der Kolonie in zwei kleinere muslimische und einen sehr großen Hindu-Teil in der Mitte stand unmittelbar bevor.
    Nehru wurde als Führer der Kongresspartei (Indian National Congress) erster Premierminister Indiens und sorgte dafür, dass
     die Tochter rasch in der Partei aufrückte. Welchen Einfluss sie auf ihn hatte, mag die Tatsache belegen, dass er auf ihr Drängen
     hin den 1959 von den Chinesen aus Tibet vertriebenen Dalai Lama aufnahm. Das lief eigentlich seiner politischen Maxime der
     Blockfreiheit |244| zuwider und beschwor zudem einen Konflikt mit dem kommunistischen Reich im Nordosten herauf, der dann 1962 auch in einen Krieg
     mündete. Die Chinesen gewannen darin die Oberhand, nur mit großer internationaler Mühe gelang es, die indische Niederlage
     in Grenzen zu halten und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht zur Katastrophe für den Staat auswuchs.
    Nehrus hohes Ansehen in aller Welt spielte dabei eine wesentliche Rolle, im eigenen Land aber bröckelte sein Renommee dramatisch.
     So konnte ihm Indira bei seinem Tod (27. Mai 1964) nicht wie vorgesehen gleich im Amt nachfolgen. Sie trat zunächst als Ministerin
     für Information ins Kabinett Shastri ein, dessen plötzlicher Tod am 11. Januar 1966 in Taschkent erst den Weg für sie freimachte.
     Acht Tage später wurde Indira Gandhi mit 365 gegen 169 Stimmen zur Parteivorsitzenden gewählt, womit ihr das Amt der Regierungschefin
     automatisch zufiel – und gleichermaßen ein Berg von Problemen: ausuferndes Bevölkerungswachstum, religiöse Konflikte, Massenarmut,
     wirtschaftliche Stagnation, innerparteiliche Kämpfe, Spannungen im Verhältnis zu Pakistan, um nur einige zu nennen.
    Ihre Stellung in der eigenen Partei wusste die neue Premierministerin immerhin rasch zu festigen. Indira Gandhi war eigentlich
     gegen den Willen der Parteigranden, des »Syndikats«, wie sie sagte, an die Macht gekommen, die sie nun konsequent zur Ausschaltung
     dieser Gegner nutzte. Ihr rigoroses Vorgehen führte schließlich zur Spaltung der Partei, die schon so etwas wie eine Staatspartei
     geworden war. Die Mehrheit der Fraktion aber stellte sich auf die Seite der Chefin, die zu den Wahlen im März 1971 mit
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