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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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die sie
     zu gemeinsamem Handeln in ökonomischen Fragen und auf sicherheitspolitischem Gebiet ermuntern wollte. Indira Gandhi profilierte
     sich dabei als Sprecherin der Blockfreien, deren 7. Gipfeltreffen im März 1983 unter ihrer Leitung stand. Auch im Rahmen des
     britischen Commonwealth gewann sie als politische Führerin des bevölkerungsreichsten Landes eine Schlüsselrolle; im November
     waren die Staatschefs dieser Länder bei ihr zu Gast.
    Außenpolitisch glänzte sie mit ihren Taten, im Inneren aber brodelte es gefährlich wegen der oft anmaßenden Politik der Regierung
     in Delhi, von der sich die Regionen in unerträglicher Weise gegängelt fühlten. Indira Gandhis harte Reaktionen auf tatsächliche
     oder angebliche Abweichungen von ihrer Linie rührten von einer gewissen Unsicherheit her, ob Indien auf Dauer überhaupt regierbar
     bleiben würde. Wie auch immer, diese Härte ließ die Zahl ihrer Feinde ständig wachsen, was ihrerseits wiederum zu weiterer
     Verhärtung führte, eine gefährliche Spirale.
    Erstes Opfer wurde der Bundesstaat Assam im Nordosten des Subkontinents. Dort riefen Unruhen 1981 die Zentralregierung auf
     den Plan, die schließlich das Parlament auflöste und die direkte Aufsicht über das Land übernahm. Die starke muslimische Minderheit
     im Brahmaputratal sah in diesem Vorgehen eine hinduistische Machtergreifung, stammte Frau Gandhi doch aus einer Brahmanenfamilie.
     Es kam zwischen den Bevölkerungsgruppen zu blutigen |248| Konflikten, die wie ein Fanal auf andere Regionen wirkte: Im Mai 1983 flammte in Kaschmir, steter Unruheherd zwischen Indien
     und Pakistan, der Religionskampf auf anlässlich von Regionalwahlen, und im Pandschab nahmen sich Hindus und Sikhs ein Beispiel
     daran.
    Entschlossen ließ Indira Gandhi durchgreifen, verfügte eine quälende, monatelange Belagerung des Zentrums der Sikhs und am
     5. Juni 1984, wie eingangs erwähnt, die Erstürmung des Goldenen Tempels. Dabei kam der Sikh-Führer Singh Bhindranwale ums
     Leben, was den Rachedurst der Gedemütigten ins Unermessliche steigen ließ. Und der Widerstand wuchs auch anderswo: Als Indira
     Gandhi im August 1984 den Regierungschef von Mandhra Pradesh absetzte, sah sie sich schon im Monat darauf gezwungen, ihn in
     sein Amt zurückzuholen. Reformen des föderalen Aufbaus, das erkannte Indira endlich, waren unvermeidlich. Verwirklichen konnte
     sie davon keine mehr, denn die Gewalt, die sie gesät hatte, ereilte sie selbst am 31. Oktober 1984 durch das Attentat der
     beiden Sikh-Leibwächter.
    Obwohl noch am gleichen Tag ihr Sohn als Regierungschef vereidigt wurde, schwappte eine Welle von Mord und Totschlag durch
     das aufgewühlte Land. Die von Indira Gandhi zementierte »dynastische Demokratie« wurde mehr und mehr zum eigentlichen Problem.
     Ihr Biograph Malhotra fragt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie ihr Land etwas mehr und ihre Söhne etwas weniger geliebt
     hätte. Sein Buch erschien 1989. Zwei Jahre später gab die Geschichte die Antwort: Rajiv Gandhi fiel am 21. Mai 1991 einem
     Bombenattentat zum Opfer. Zentralistisch lassen sich die zentrifugalen Kräfte des Milliarden-Volkes offenbar kaum bändigen,
     und die spirituellen Mächte mögen zwar nicht von dieser Welt sein, sie zu ignorieren aber kann sich keine indische Regierung
     leisten.
    Indira scheint das am Lebensende gespürt zu haben, auch angesichts der eigenen Ausgebranntheit aufgrund der endlosen Kämpfe
     gegen Vorurteile und Partikularinteressen. Jedenfalls sah man die alternde Tochter des Freigeistes Nehru zuletzt immer häufiger
     an hinduistischen Kultorten und in Gesellschaft von weisen Gurus, auf die sie mehr und mehr zu hören schien. Hoffnungen aber
     darauf, sie könne sich künftig stärker um religiösen Ausgleich kümmern und einen milderen Kurs einschlagen, starben mit ihr
     im Kugelhagel.

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    |249| Literatur
    Allgemein
    Anderson, Bonnie S. und Judith P. Zinsser: Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa. 2 Bde. Zürich 1992/93.
    Baumgärtel, Bettina und Silvia Neysters (Hrsg.): Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen. München
     1995.
    Bridenthal, Renate, C. Koonz und S. Stuart (Hrsg.): Becoming Visible. Women in European History. 2. Aufl. Boston 1987.
    Duby, Georges und Michelle Perrot: Geschichte der Frauen. 5 Bde. Frankfurt am Main/New York 1993–1995.
    Fussenegger, Gertrud: Herrscherinnen. Frauen, die Geschichte machten. Stuttgart 1992.
    Hoffmann, Gabriele: Frauen machen
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