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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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nur knapp die absolute Mehrheit verfehlten, die Regierung aber übernehmen konnten.
    Von allen Seiten hagelte es Kritik an der Abgewählten, die nach dem Willen vieler nun auch nicht mehr die Partei führen sollte.
     Die wenigsten aber hatten mit ihrem Stehvermögen gerechnet. Als Indira Gandhi mit ihrer erneuten Bewerbung um den Parteivorsitz
     nicht durchdrang, gründete sie kurzerhand ihre eigene Kongress-Partei, den »Indian National Congress – I«, I wie Indira oder
     Indien, für die Politikerin beides so gut wie identisch. Und für das Volk offenbar nach nur wenigen Monaten der Desai-Regierung
     ebenfalls: Schon im Februar 1978 erreichte Gandhis neuer Kongress in den Bundesstaaten Karnataka und Andhra Pradesh die absolute
     Mehrheit. Die Sehnsucht nach erneuter »mütterlicher« Führung setzte da bereits Zeichen. Die erkannte das regierende Parteienbündnis
     zwar ebenso, fand jedoch nicht zu gemeinsamer Antwort auf die Angriffe der Herausfordererin. Obwohl sie in der eigenen Regierungszeit,
     immerhin knapp zwölf Jahre, selbst nur marginale soziale Verbesserungen hatte durchsetzen können, verstand sie es nun, alle
     Not der Desai-Administration anzulasten. Patentrezepte hatte auch Indira nicht, aber die Gabe zu überzeugender Selbstdarstellung
     und den Nimbus ihrer Familie, wobei der angeheiratete große Name sicher ebenfalls hilfreich war. Ganz im Stil der Demut des
     Mahatma und mit einem Zitat ihres Vaters bekannte Indira, sie wolle nicht über das Land herrschen, sondern sein erster Diener
     sein.
    Die Wähler bestätigten ihr am 1. und 3. Januar 1980, dass sie ihr diesen Dienst weit eher zutrauten als der Desai-Partei.
     351 von 525 Mandaten errang der Indira-Kongress bei den Wahlen zum Parlament. Eindrucksvoll hatte Frau Gandhi die Schwarzseher
     in den eigenen Reihen widerlegt. Erneut zog sie in den Regierungspalast ein und packte mit neuer Tatkraft die eher noch gewachsenen
     Probleme an. Zwei Ereignisse zeigten ihr allerdings sogleich, dass der Weg trotz des Triumphes steinig zu werden versprach:
    Im April 1980 entging sie knapp einem Attentat, und im Juni kam ihr Lieblingssohn und vorgesehener Nachfolger Sanjay bei einem
     Flugzeugabsturz ums Leben. Die Dynastie war in Gefahr, der Nimbus erschüttert, Indira seelisch angeschlagen. Sie holte zwar
     sogleich ihren älteren Sohn Rajiv in ihr Team, doch fehlte dem passionierten Piloten der politische Stallgeruch. Dass er wider
     Willen antrat, merkten ihm viele an. Die Zeit, so hoffte die Mutter, würde ihn an den Aufgaben reifen lassen. Gelegenheit,
     das schwierige politische Geschäft von Grund auf zu lernen, bekam er in den nächsten Jahren jedenfalls reichlich.
    Das Attentat hatte der Regierungschefin gezeigt, dass die gesellschaftlichen Verwerfungen ein gefährliches Maß erreicht hatten.
     Soziale Reformen waren überfällig. Indira Gandhi schien jedoch zu ahnen, dass sie die dafür erforderliche Zeit nicht mehr
     hatte. Langwährende Umwälzungsprozesse schienen ihr |247| kein probates Mittel zur Lösung der sozialen Probleme. Sie entschied sich daher für eine Stärkung der Zentralregierung zu
     Lasten der Bundesstaaten. Delhi erhielt das Recht, dort polizeilich und militärisch zu intervenieren, wo der innere Frieden
     in Gefahr schien – ein in der Auslegung durch Indira Gandhi zweischneidiges Instrument, wie sich zeigen sollte.
    Ein weiteres Mittel zur Festigung ihrer Autorität auch im Inneren sah die Regierungschefin in der Außenpolitik, auf die sie
     sich immer schon gut verstanden hatte. Sie behielt den blockfreien Kurs des Vaters und ihrer ersten Amtszeit bei, nach dem
     Geschmack der USA allerdings etwas zu sowjetfreundlich. Doch auch dafür hatte Indira ein gutes Gespür und korrigierte ihren
     Kurs, indem sie in Moskau offen die Besetzung Afghanistans durch die Rote Armee kritisierte. Schon aus wirtschaftlichen Gründen
     konnte sie es sich nicht leisten, den Westen vor den Kopf zu stoßen. Und auch die gute Nachbarschaft hieß es zu pflegen: Nach
     ihrem Sieg von 1971 konnte sie nun den ersten Schritt auf den einstigen Gegner zu machen: Anlässlich einer UN-Vollversammlung
     suchte sie gleich nach ihrer Wahl zum Premier das Gespräch mit dem pakistanischen Staatschef Ziaul Haq.
    Überhaupt entfaltete Indira Gandhi nun einen regen »Polit-Tourismus«, der sie in alle Welt führte, wo sie um Unterstützung
     für ihr mit schweren wirtschaftlichen Problemen ringendes Land warb. Schwerpunkte waren die Staaten in Südostasien,
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