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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam
Autoren: Paul van Herck
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Fenster springen und entfliehen sah.
    Der Vorfall war jedoch schnell vergessen. Sam suchte und fand Lodes Auto, einen imposanten, vielbenutzten, zwölfjährigen Simca – aber immerhin war er noch brauchbar und besser als nichts. Kurz darauf fuhr Sam durch den zunehmenden Freitagabendverkehr nach Hause.
    Dort angekommen, zog er Lodes Smokingjacke aus dem Kofferraum und stürmte – stets drei Stufen auf einmal nehmend – die Treppe hinauf.
    Pfeifend – als befände er sich auf dem Weg zu einer Verabredung –
     wusch und rasierte er sich ein zweitesmal, ohne daran zu denken, daß er die gleiche Prozedur erst zwei Stunden zuvor hinter sich gebracht hatte. Schließlich putzte er auch noch einmal seine Schuhe.
    In der Schatulle fand er fünfundneunzig Gulden und sechzig Cent. Das war zwar nicht besonders viel, aber würde vielleicht für einen aufwendigen Abend genügen… Wie er sich allerdings den Rest des Monats durchwurschteln sollte… Na ja, das waren Sorgen, die er sich für den morgigen Tag aufheben konnte.
    Bevor er abfuhr, pflückte er im Vorgärtchen seines Nachbarn noch eine rote Nelke.
    Es war wirklich eine flotte Erscheinung, die kurz darauf die Räume der Blauen Katze betrat.
    Sam lehnte sich nonchalant an die Bar, steckte sich eine teure Zigarette an und bestellte Whisky, wie es sich gehört. Zur gleichen Zeit ließ er seinen Blick durch das halbdunkle Lokal schweifen.
    Es war ziemlich voll. Man konnte den Laden nicht unbedingt als originell bezeichnen, obwohl man ihm mit einiger Anstrengung das Aussehen eines Existenzialistenschuppens verpaßt hatte. Im Licht einiger Spots erzeugten ein paar junge Männer auf verschiedenen Instrumenten südamerikanische Musik. Die Klänge, die ebenfalls nicht sonderlich berauschend waren, wurden durch die Lautsprecher einer sündhaft teuren Hi-Fi-Anlage jedenfalls wenigstens teilweise goutierbar.
    Und – ja! Da, in einem kleinen Eckchen, umgeben von einer Leibwache von einem bis acht Mann, in Gesellschaft von ein paar Freundinnen, saß Julie. Sie trug ein ultramodernes Röckchen. Kurz.
    Sam schlug das Herz bis zum Halse, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben. Der Abend war noch jung, er hatte alle Zeit der Welt, um das Terrain zu sondieren und einen Schlachtplan aufzustellen. So wie die Dinge lagen, scherte sie sich den Teufel um einen hungerleidenden Journalisten. Es war von allergrößter Wichtigkeit, daß er sich in eine andere Persönlichkeit verwandelte. Er mußte wie ein reicher Knopp wirken. Das konnte nicht schwierig sein, wenn man in der Lage war, die Frage zu beantworten, wie sich reiche Knöppe aufführen…
    Sam zuckte die Achseln. Auch das waren Sorgen für den nächsten Tag. Da seine Sehwerkzeuge in der Zwischenzeit nicht stillgestanden hatten, wußte er schon, daß sie gerne tanzte, keine Aufforderung abwies und sich ungezwungen und gesellig gab.
    Sams Lächeln wurde noch breiter.
    Ein Foxtrott. Den konnte er nicht ungenutzt lassen. Selbstbewußt und arglos schlenderte er auf sie zu.
    »Darf ich Sie um dieses Tänzchen bitten, meine Liebe?« fragte er und produzierte dabei einen dermaßen breiten texanischen Akzent, daß selbst Lyndon B. Johnson vor Neid erblaßt wäre.
    Sie war bereits aufgestanden, lächelte, entzückend, betrat die Tanzfläche und streckte die Arme aus.
    Sams Blutdruck schoß in gefährliche Höhen und machte keine Anstalten, wieder abzusinken.
    Sie tanzten.
    Es war, als hätte Sam all seine frühere Steifheit verloren. Er schwebte über dem Boden dahin, und Julie tat es ihm gleich. Die anderen Tanzpaare machten ihnen bereitwillig Platz und wichen an den Rand zurück. Die Musik hörte sich nun beinahe wie wirkliche Musik an.
    »Ich habe Sie hier überhaupt noch nie gesehen«, sagte Julie.
    »Äh?«
    »Ich habe Sie hier noch nie gesehen.«
    »Sam«, sagte Sam. »So heiße ich.«
    »Nun, Sam?«
    »Ja, genau«, sagte Sam. »Ich bin noch nicht lange hier.«
    »Tatsächlich? Wie ich höre, sind Sie Amerikaner?«
    »Ja.«
    »Dann sprechen Sie unsere Sprache aber sehr gut.«
    »Bin in Sprachen eben immer gut gewesen«, lachte Sam geschmeichelt.
    »Sie sind aus dem Süden?«
    »Aus dem Süden der Staaten, meinen Sie? Oh, yeah! Ja, das bin ich. Texas, um genau zu sein. Mein Alter hat da ein paar Ölquellen, müssen Sie wissen.«
    »Öl«, sagte sie und ließ das Wort auf der Zunge zergehen. Der Klang schien ihr zu gefallen.
    Das Lied klang aus. Sie blieben Hand in Hand nebeneinander stehen und applaudierten. (Oh, nein, das geht ja gar nicht!
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