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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas
Autoren: Jodi Kantor
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    Vorwort
    A n einem Nachmittag Ende September 2009 saßen mir Barack und Michelle Obama in der gold- und elfenbeinfarbenen Pracht des Oval Office gegenüber. Eine offiziellere Umgebung lässt sich kaum denken, und doch sprachen sie mit mir über ganz persönliche Dinge. Ich führte ein Interview mit ihnen für einen Artikel über ihre Ehe im
New York Times Magazine.
Die beiden saßen auf farblich abgestimmten, mit gestreiftem Stoff bezogenen Stühlen unter Gilbert Stuarts Porträt des über sie wachenden George Washington und erzählten von ihrer Partnerschaft.
    Der Präsident war an diesem Tag nachdenklich gestimmt, die First Lady witzig und eloquent. Und doch wurde klar, dass dieses so perfekt wirkende Paar, das kaum neun Monate zuvor beim Amtsantritt über die Tanzfläche geschwebt war, insgeheim immer noch mit der Tatsache kämpfte, dass sie der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und die First Lady waren. Michelle Obama stellte ihren Mann noch oft mit den Worten: »Was machst du da?« zur Rede, wenn sie ihn an dem ein paar Meter entfernten Schreibtisch von John F. Kennedy sitzen sah: »Steh auf!« Und auf meine Frage, wie man eine gleichberechtigte Ehe führen könne, wenn der eine Partner Präsident ist, stieß die First Lady ein scharfes »Hmmmmpfh« aus, als sei sie erleichtert, dass endlich einmal jemand diese Frage stellte. Dann ließ sie ihren Mann um die Antwort ringen. Er setzte dreimal an und stockte. Schließlich sagte er: »Meine Mitarbeiter machen sich viel mehr Sorgen darüber, was die First Lady denkt, als über mich.« Erst dann erlöste ihn seine Frau mit der Bemerkung, bei privaten Entscheidungen seien sie aber gleichberechtigt.
    Barack Obama fügte kurz darauf wenig glaubwürdig hinzu, seine Frau solle, so gut wie möglich, von der politischen Kultur abgeschirmt werden – »vom Washingtoner Irrsinn«, wie er es ausdrückte. Doch als Michelle Obama darauf bestand, dass sie sich überhaupt nicht für Politik oder Strategien interessiere, sah er sie zuerst irritiert an und widersprach dann vorsichtig. Er verlasse sich in allen innenpolitischen Angelegenheiten auf ihr Gespür für die öffentliche Meinung.
    Nachdem der Artikel erschienen war, verfolgte mich in Gedanken noch lange die Spannung, die ich in diesem Raum wahrgenommen hatte. Etwas davon war zwischen den Obamas zu spüren gewesen. Eigentlich aber war sie von der Diskrepanz zwischen ihnen und dem Weißen Haus ausgegangen, in das sie sich selbst hineinkatapultiert hatten. Bei all der Unbefangenheit, die sie beide in der Öffentlichkeit zur Schau stellten, und trotz des unbändigen Ehrgeizes, den sie während der Präsidentschaftskandidatur an den Tag gelegt hatten, fühlten sich die Obamas nicht wirklich wohl mit dem, was sie sich eingehandelt hatten.
    Wie war das möglich? Zu Beginn des Rennens um das Präsidentenamt im Jahr 2007 nannten alle den Kandidaten noch immer nur Barack. Und vor kaum zwei Jahren war er einfach nur Abgeordneter im Senat von Illinois. Seine Gattin war weitgehend unbekannt. Sie kaufte ihre Schuhe Größe 41 bei Nordstrom aus dem Regal, kannte sich bestens auf der Speisekarte eines McDonald’s Drive-in aus und bekundete wenig Lust, in Washington zu leben. Damals wirkten die beiden wie das seltene Exemplar eines Politikerehepaars, das in unserer Welt zu Hause war und nicht in einem Universum aus Green Room, Richtlinien und servilen Beratern. Sie versicherten uns, dass sie anders seien als andere Politiker, und gelobten, im Weißen Haus normal zu bleiben und die Hauptstadt zu verändern, ohne sich von ihr verändern zu lassen.
    Doch nach einer Karriere, in deren Verlauf er das Establishment kritisiert hatte, war Barack Obama nun selbst das Establishment. Er verfügte kaum über Erfahrungen mit dem Washingtoner Politbetrieb, geschweige denn, dass er etwas von Wirtschaft oder Außenpolitik verstand oder vom Management eines Regierungsapparats. Dabei war sein Programm breit angelegt, die Krisen des Landes waren ernst, und auf einmal strahlte sein Licht nicht mehr ganz so hell. In Washington war er ein Außenseiter und tat sich dort schwer; er war eine einsame Figur in einem Job, in dem emotionales Engagement und nicht allein die politische Leistung über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die Obamas waren kurzerhand im Weißen Haus verschwunden; aus Freunden waren Mitarbeiter geworden; zehn- oder zwölfjährige Wahlhelfer hatten Berühmtheit erlangt, und ihr junger Hund erhielt Briefe, in denen er um
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