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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam
Autoren: Paul van Herck
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sie und lachte hell. »Aber wenn es Ihnen recht ist, erst nach der Ansprache meines Vaters. Es kann nicht mehr lange dauern.«
    »Oh, aber sicher, klar.« Rot wie die Fahne auf dem Dach des Kremls zog Sam sich aus dem Kreis zurück.
    Irgendwo klopfte jemand gegen ein Glas. Das Gemurmel verstummte. Mit einiger Mühe erklomm Minister Vandermasten die Tribüne, zog seine Krawatte gerade, wartete, bis die Blitzlichter der Fotografen erloschen, leerte sein Glas bis zum Grund und begann zu sprechen.
    Er pries die im Lande herrschende Justiz, erwähnte kurz die erfreuliche Tatsache, daß das Verbrechen wieder auf dem Vormarsch sei, weswegen die Polizei über Arbeitsmangel nicht zu klagen habe und mehr Beförderungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, und verbrachte die restliche halbe Stunde damit, im Hinblick auf die anstehenden Wahlen Versprechungen zu machen.
    Dem Anschein nach hatte er zudem kürzlich irgendwo gelesen (wahrscheinlich in einer belgischen Zeitschrift), daß man heutzutage junge und energische Männer in der Politik bevorzugte, denn inmitten des donnernden Schlußapplauses machte er einen Satz und sprang von der Rednertribüne. Der Fußboden hielt das glücklicherweise aus.
    »Das kann ihm nur Pluspunkte einbringen«, meinte Lode. »Und ich hab' ihn genau im richtigen Moment geknipst.«
    Aber Sam hörte ihm bereits nicht mehr zu. Schließlich hatte Julie ihm versprochen, daß er sie nach der Rede ihres Vaters interviewen durfte.
    Sie war nicht mehr da.
    Die Ecke war leer.
    Sich selbst verfluchend rannte Sam ins Foyer. Leer. Er peilte kurz ins Freie, aber auch dort war außer ein paar hundert extremistischen Demonstranten mit Spruchbändern – die immer kamen, wenn vom Ansteigen der Kriminalität die Rede war und sich im übrigen ruhig und gesittet verhielten – keine Spur von Julie zu erblicken. Sam ging in das Gebäude zurück. Während seiner Abwesenheit hatte der Empfang die Züge einer zünftigen Party angenommen. Die ersten Paare, darunter einige wohlbekannte Politiker, machten auf dem Tanzboden die ersten Gehversuche. Tische und Stühle hatte man an die Wände geschoben.
    Lode kam grinsend auf ihn zu. »Ist sie weg?«
    Sam nickte frustriert.
    »Da siehst du mal, wie das Leben einem so mitspielt«, sagte Lode und zitierte den bekannten Philosophen Peter Pappenstiel.
    »Ach, rutsch mir doch den Buckel runter«, sagte Sam. »Wo hast du denn diesen Schwachsinn her?« Er warf einen durstigen Blick auf den funkelnden Sherry, den Lode in der Hand hielt. Lode winkte einem Kellner. Sam machte einen tiefen Zug, zündete sich eine Zigarette an und fühlte sich schlagartig besser.
    »Wenn’s dich wirklich interessiert«, sagte Lode, »dann kann ich dir sagen, wo sich Julie mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit aufhält.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Neuerdings macht sie gewöhnlich ein Lokal unsicher, das Die Blaue Katze heißt. Kennst du das?«
    Die Blaue Katze… Ja, das Lokal kannte er. Ein ziemlich exklusives Nachtlokal; Sam war sogar schon einmal dort gewesen, früher, als er noch das Geld seines Vaters hatte sorglos ausgeben können.
    »Aber«, fügte Lode kurz darauf hinzu, »so wie du jetzt angezogen bist, kannst du da natürlich nicht hinein. Schmeiß dich in ein paar sportliche Klamotten und kehr den Millionär heraus. Wenn du willst, kann ich dir was Passendes besorgen.«
    Sam dachte intensiv nach.
    »Deine Idee ist wirklich hervorragend«, sagte er dann. »Das ist wirklich die beste Möglichkeit. Aber zu borgen brauchst du mir nichts… außer vielleicht deinen Wagen.« Er schaute seinen Freund erwartungsvoll an.
    Lode wühlte in seinen Taschen und brachte schließlich den Zündschlüssel zum Vorschein. »Na gut, aber nur dieses eine Mal… Und daß du ihn mir an einem Stück wieder zurückbringst.«
    »Du kannst absolut beruhigt sein«, versicherte Sam ihm dankbar. »Das ist das mindeste, das du verlangen kannst. Du… äh… hast doch auch eine weiße Smokingjacke, oder? So ein todschickes Ding.«
    »Die liegt im Kofferraum«, sagte Lode sorglos.»Bedien dich nur.«
    »Du bist wirklich ein wahrer Freund«, sagte Sam gerührt.
    Zielstrebig begab er sich zum Ausgang. Und das war gerade der richtige Zeitpunkt, denn den Demonstranten, die sich bisher kühl und diszipliniert verhalten hatten, war offenbar der Geduldsfaden gerissen, und sie waren gerade im Begriff, das Gerichtsgebäude zu stürmen.
    »Tod dem Minister!« schrien sie, während Sam selbigen mit einem weiten Satz aus dem
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