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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam
Autoren: Paul van Herck
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bedauernd entschloß sich Sam dazu, es am Abend genauer zu studieren und etwaige Bemerkungen dazu – wie es sich gehörte – an den Rand zu schreiben.
     
    An diesem Abend kam er allerdings nicht mehr zum Lesen, denn buchstäblich in letzter Sekunde fiel ihm der Empfang wieder ein, über den er für seine Zeitung berichten mußte. In nachdenklicher Stimmung verzehrte Sam ein paar Würstchen und trank eine Tasse aufgewärmten Kaffee. Er wusch und rasierte sich sorgfältig, betrachtete sein Äußeres kritisch im Spiegel und schloß um zehn Minuten vor acht die Tür seines Dachkämmerchens hinter sich.
    Es war schon ein wenig spät, als er das Gerichtsgebäude erreichte, und seine Verspätung trug ihm den pikierten Blick eines uniformierten Lakaien ein. Der Innenteil des Gebäudes funkelte in heller Pracht. Überall wimmelte es von falschen und echten Juwelen (die meisten waren wohl echt), teuren Zigarren, Schärpen und Schmerbäuchen. In solcher Umgebung hatte Sam sich nie sonderlich wohl gefühlt. Mit einem Seufzer der Erleichterung entdeckte er in einer Ecke ein Kontingent graugekleideter Presseleute, unter denen sich auch sein Freund Lode von der Volksgazet befand. Sam marschierte auf ihn zu, umrundete unterwegs einen kleinen Tisch und stieß ein meckerndes Lachen aus.
    »Welch ein Rummel«, sagte er kurz darauf zu Lode.
    »Kann man wohl sagen. Wenn der Minister seine Rede gehalten hat, mach' ich mich wieder auf die Socken. Ich hab' wirklich wichtigeres zu tun.«
    »Hast du eine Liste der anwesenden hohen Tiere für mich?«
    »Hier.«
    Eilig durchforstete Sam die Anwesenheitsliste. »Was ich noch fragen wollte… Weißt du, ob seine Tochter auch hier ist?«
    Lode deutete mit seinem Glas auf die andere Saalecke – und in der Tat, dort hatte sich eine Gruppe ausnahmslos gutaussehender junger Leute versammelt. Sie trugen weiße Jacketts und waren sonnengebräunt und gut frisiert. Sam vermutete in den Taschen goldene Zigarettenetuis und die Zündschlüssel schicker Sportwagen.
    Der Qualm von Lucky Strikes kräuselte sich von dieser Ecke aus zur Decke. Inmitten der Ansammlung leuchtete dann und wann die Gestalt von Julie Vandermasten auf, die schöner war als je zuvor.
    »Ich würde sie ja gern interviewen«, log Sam, der nicht im geringsten eine solche Absicht hatte. Am liebsten wäre er in diesem Augenblick nämlich meilenweit von hier entfernt gewesen, denn in ihrer Nähe kam er sich plötzlich ganz klein und häßlich vor.
    »Warum denn das, in Gottes Namen?« fragte Lode. »Bist du etwa scharf auf sie?«
    »Um deine vulgären Worte zu benutzen: Ja, ich bin scharf auf sie.«
    Lode lachte laut. Die ihn umgebenden hochgezogenen Augenbrauen schienen ihn überhaupt nicht zu interessieren. »Dann trag dich mal in die Warteliste ein, du Narr. Hast du denn die Zusammenrottung noch nicht gesehen, die sie umgibt? Jeder einzelne dieser Knaben kriegt von seinem Pappi doch mehr Taschengeld in der Woche als du in einem Jahr verdienst.«
    »Sie macht aber einen lieben und sauberen Eindruck«, sagte Sam. »Was kann sie denn dafür, daß sie in dieses Milieu hineingeboren wurde und dort aufgewachsen ist?«
    »Ein Versuch kostet ja bekanntlich nichts«, erwiderte Lode. »Du kannst dich höchstens lächerlich machen.«
    »Ich kann vielleicht damit anfangen, daß ich sie interviewe«, sagte Sam tapfer. »Und mein Artikel wird dann auch nur ein Foto enthalten: das ihre. Wenn sie den Artikel liest, wird sie sich natürlich fragen, wer der brillante junge Mann ist, der ihn geschrieben hat. Sie wird mit ihrem Vater darüber reden. Er wird nach mir schicken… und dann… He! Was hältst du davon?«
    »Einen Scheißdreck«, sagte Lode. »Du bist wirklich ein ausgesprochener Hammel.«
    Sam riß sich zusammen, schluckte mehrere Male und marschierte dann entschlossen auf die Gruppe zu, die Julie Vandermasten wie eine Traube umgab.
    »Verzeihung«, sagte er. Und noch einmal: »Verzeihung.« Ohne große Anstrengung bahnte er sich einen Weg durch die Reihen. Sie schaute zu ihm auf, und erst jetzt bemerkte Sam, wie blau ihre Augen, wie blond ihr Haar und wie schön auch alles andere an ihr war.
    Es dauerte einige Sekunden, ehe er etwas herausbekam.
    »Fräulein Vandermasten?«
    »Ja?«
    Und erst ihre Stimme!
    Um sie herum wurde es totenstill. Sam spürte förmlich, wie sich die Blicke der anderen in seinen Rücken bohrten.
    »Ich bin von der Presse. Würden Sie… würden Sie mir vielleicht ein Interview gewähren?«
    »Mit Vergnügen«, sagte
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