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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam
Autoren: Paul van Herck
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Möglicherweise hast du noch eine Chance in Laos, Britisch-Guyana oder Hongkong. Ganz unter uns: Nächste Woche werden auf dem Kremerplein alle Science Fiction-Bücher aus der Nationalbibliothek öffentlich verbrannt. Man hat auch nichts dagegen, wenn private Leser ihre eigenen Sammlungen dazu beisteuern. Ich werde an diesem Tag leider verhindert sein. Willst du vielleicht meine Tribünenkarte haben? Nein? Es… äh… war wohl nicht sonderlich taktvoll, dir diese Frage zu stellen, wie?«
    »Es war in der Tat nicht sonderlich taktvoll«, sagte Sam wütend, während der Verleger seine Tribünenkarte wieder in die Schreibtischschublade zurücklegte.
    »Was wirst du nun machen, Sam?«
    Sam zuckte mürrisch die Achseln, warf sein Manuskript in den Papierkorb und ging hinaus.
    »Mach die Tür zu!« brüllte der Verleger hinter ihm her, aber Sam hörte ihn schon nicht mehr.
    Er lief über die Straße, ohne auch nur einen Gedanken an den herrschenden Verkehr zu verschwenden. Sam dachte nämlich nach, aber seine Gedanken waren nicht sonderlich rosig. Er verfluchte den Augenblick, in dem er den Roman begonnen hatte. Drei Monate lang hatte er sich von der Außenwelt abgeschlossen und sich mit einer Kaffeekanne und der Schreibmaschine zurückgezogen. Drei Monate, in denen er jeden Kontakt mit der Außenwelt sorgfältig vermieden hatte, um sich auf die Monster von Arcturus konzentrieren zu können. Hätte er das nicht getan, wäre ihm rechtzeitig bekanntgeworden, was da auf ihn zukam…
    Unbewußt lenkte er seine Schritte auf das Café Wells zu, einem Lokal, das bekannt dafür war, daß zu seinem Kundenstamm eine Reihe von Science Fiction-Autoren gehörten. Die Flagge hing auf Halbmast. Frank, der Barkeeper, polierte mit einem melancholischen Blick die Biergläser.
    »Das Geschäft läuft heute wohl nicht besonders, was, Frank?« Sam ließ sich an der Fensterscheibe in einen Sessel fallen, zündete sich eine Zigarette an und sah sich im Inneren des Lokals um. Der Raum war beinahe leer. In einer Ecke saß John Wyndham. Er hatte einen Bleistift hinters Ohr geklemmt und rauchte eine Zigarre. Er sah ziemlich heruntergekommen aus und schien sich seit drei Tagen mehr rasiert zu haben.
    »Ich mach’ den Laden morgen dicht«, sagte Frank.
    »Gib mir ’ne Halbe«, sagte Sam. Mit dem Glas in der Hand schlenderte er zu Wyndham hinüber.
    »Es sieht beschissen aus, was, John?«
    Wyndham nickte.
    »Ich bin gerade mit einem Manuskript bei meinem Verleger gewesen. Drei Monate Arbeit, und alles für die Affen.«
    Wyndham nickte teilnahmsvoll. »Ich kann's mir lebhaft vorstellen, mein Junge. Aber wir werden uns damit abfinden müssen. Du weißt wohl noch nicht, was mit den anderen passiert ist?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Eine ganze Reihe von uns ist übergelaufen und schreibt jetzt Krimis oder psychologische Romane.
    Psychologische Romane!
    « Wyndham hatte Mühe, ein Zittern zu unterdrücken.
    »Und der Rest?«
    »Ein paar haben Selbstmord begangen. Heute der größte von allen: Ray Bradbury.«
    » Ray Bradbury! – Hängt die Flagge deswegen auf Halbmast?«
    »Ja. – Prost!«
    »Prost!«
    Wehmütig leerten sie ihre Gläser. Sie knabberten eine ganze Weile an den Glasrändern herum, ehe sie auf die Idee kamen, eine neue Lage zu bestellen.
    Draußen, hoch über den Dächern, donnerte eine Boeing 808 vorbei.
    »Raketen… Planeten… Monster… Lebt wohl…« Eine Träne lief über Wyndhams eingefallene Gesichtszüge.
    »Tja… Prost! «
    »Prost!«
    Erneut verfielen sie für lange Zeit in Schweigen.
    »Schnürriemen«, sagte Wyndham plötzlich, während es in seinen Augen wahnsinnig glitzerte. »Ich werde Schnürriemen verkaufen. Ich werde mich einfach weigern, eine andere Literatur zu schreiben als die unsrige, die einzige, die Heilige!«
    »Das ist ein Männerwort«, gab Sam ihm recht. »Aber ausgerechnet Schnürriemen?«
    »Ja. Weißt du etwa was Besseres?«
    Sam dachte nach. Er war noch jung und begann sich allmählich von dem Schlag zu erholen. Außerdem herrschte schönes Wetter, und das Leben war zu schön, um sich solch defätistischen Gedanken hinzugeben. Das Genre war zwar tot, aber schließlich gab es nichts, das nicht unwiderruflich war. Eine Stunde später schwankten Wyndham und Sam brüderlich vereint hinaus und wandten sich dem Sonnenlicht entgegen.
    Frank, der Barkeeper, sah ihnen nach und bekam feuchte Augen. Schluchzend band er sich ein Dutzend Whiskyflaschen um den Hals, öffnete die Tür, ging zielbewußt auf die
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