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Fragmente des Wahns

Fragmente des Wahns

Titel: Fragmente des Wahns
Autoren: M Schmid
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solche Situation vorzufinden.
    Die Tür hatte offen gestanden, Ralfie war eingetreten und hatte sie im Wohnzimmer reden hören. Dann war alles schnell gegangen. Ralfie war auf Andreas losgegangen, hatte ihm die Waffe aus der Hand geschlagen, die Alex, nachdem er sich befreit hatte, benutzt hatte.
    Nie hätte er geglaubt, abdrücken zu können, doch er hatte es getan. Die Ärzte haben Alex im Nachhinein erzählt, dass er die Lunge getroffen hatte. Diese hatte sich daraufhin nach und nach mit Blut gefüllt, wodurch Andreas erstickte.
    Nachdem Alex abgedrückt hatte und die Kugel in den Körper seines Bruders eingedrungen war, wollte er nur noch alles rückgängig machen. Er hatte sich zu Andreas auf den Boden geworfen, ihn in die Arme geschlossen und sich tausendmal dafür entschuldigt, was er getan hatte. Doch sein kleiner Bruder hatte nur einen Satz gesagt. Den letzten Satz seines Lebens.
    „ Danke, dass du mich getötet hast.“
    Alex hatte viel über diese Worte nachgedacht und nun, da er am Grab seines Bruders stand, Lilli an seiner rechten Seite, da schien er alles zu verstehen. Einige Dinge, die ihm während des Gespräches aufgefallen waren, die er aber nicht bewusst wahrgenommen hatte, ergaben nun einen Sinn.
    Alex war so wütend, verwirrt und entsetzt gewesen, dass er Andreas gar nicht richtig verstanden hatte. Und auch jetzt wusste er immer noch nicht, ob er wirklich richtig lag.
    Doch nun, am Tag seiner letzten Ehre, da war er sich mehr als sicher, recht zu haben. Alex glaubte, dass sein kleiner Bruder schon lange hatte sterben wollen. Vielleicht schon am Tag des Mordes. Doch er hatte es einfach nicht tun können.
    Er glaubte, dass Andreas sich selbst das Leben nehmen wollte, es aber nicht übers Herz brachte. Vielleicht mag Andreas als Monster in die Geschichte eingehen, doch für Alex blieb er sein kleiner Bruder, der einfach alles richtig machen wollte, aber gescheitert war. War das nicht menschlich?
    Viele Male hatte Alex das Zwiegespräch noch einmal in seinem Kopf abgespielt und je öfter er das tat, desto mehr verstand er Andreas und seinen Lebensweg. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, doch es waren seine Entscheidungen und er allein hatte sein Leben bestimmt.
    Am Ende glaubte Alex fest daran, dass Andreas ihn wirklich über alle Maßen geliebt hatte. Andreas hätte ihn nie umgebracht, dafür waren die Fesseln zu locker gewesen. Andreas wollte bestimmt, dass er sich, nachdem er bedroht wurde, von selber befreite und zurückschlug. Der Schuss war wohl nur durch Ralfies plötzliches Auftauchen losgegangen.
    Ja, am Ende glaubte Alex, dass sein kleiner Bruder durch die Hand seines großen Bruders sterben wollte. Er hatte an diesem Tag seine Beichte abgelegt und wollte daraufhin gerichtet werden.
    Soviel verstand er jetzt.
    Lilli hielt noch immer die rote Rose in ihren kleinen Händen und weinte um ihren verstorbenen Onkel. Alex konnte sie verstehen.
    „Gib sie ihm zum Abschied, meine Große.“
    „Okay.“
    Lilli warf die rote Rose in das tiefe Loch. Sie landete weich auf der Oberfläche des braunen Sarges. Alex schloss für einen Moment die Augen, um sich endgültig zu verabschieden.
    Leb wohl, kleiner Bruder. Ich vergebe dir … und liebe dich.
    Ruhe in Frieden.
     
    Er gab ihr einen innigen Kuss zum Abschied. Der Koffer wackelte dabei in seiner rechten Hand.
    „Ich komme auf jeden Fall wieder, Schatz.“
    „Das weiß ich doch, Dummerchen“, sagte Lisa. „Komm Lilli, gib deinem Vater noch einen Abschiedskuss. Es dauert ein bisschen, bis du ihn wieder siehst.“
    „Papa weg?“, fragte Lilli, ehe sie ihren Papa umarmte und einen Kuss auf die Wange gab.
    Alex tat es ihr gleich.
    „Ja, Süße, aber ich komme so schnell es geht zurück. Versprochen.“
    „Versprochen?“
    „Versprochen ist versprochen!“
    „Und nicht gebrochen“, beendete Lilli den Satz.
    „Ganz genau.“
     
    Es klopfte an der Tür.
    „Herein.“
    Die Sprechstunde war bereits vorbei und Niederseher hatte eigentlich eine seiner Arzthelferinnen erwartet, doch dem war nicht so.
    „Ich habe mich schon gefragt, wann Sie auftauchen würden“, sagte Niederseher und lächelte. „Setzen Sie sich doch.“
    Alex nickte und nahm dankend Platz.
    „Ich weiß, dass ich keinen Termin habe und dass ich eigentlich hätte anrufen sollen, aber …“
    „Schon gut, Herr Schneider“, beruhigte ihn Niederseher. „Es ist alles in Ordnung. Wie gesagt, ich habe Sie bereits erwartet. Na ja, nicht direkt heute, aber Sie verstehen schon,
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