Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fragmente des Wahns

Fragmente des Wahns

Titel: Fragmente des Wahns
Autoren: M Schmid
Vom Netzwerk:
bereit.
    Kaum war er aufgestanden, tauchte Lisa in der Türschwelle auf. Sie trug ein langes, schwarzes und schlichtes Kleid, denn sie wollte auf der Beerdigung nicht auffallen. Das gehörte sich nicht.
    „Ich wäre dann soweit“, sagte Alex.
    „Schön. Nur Lilli weigert sich. Sie will einfach nicht auf diese Beerdigung gehen.“
    „Es ist nicht leicht für sie.“
    „Das ist es für niemanden, Schatz. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es dir gerade geht.“
    „Du wirst es nicht glauben, Lisa, aber mir geht es komischerweise ganz gut.“ Er ging auf seine Frau zu und gab ihr einen gefühlvollen Kuss auf die Lippen. „Lass mich mit Lilli reden. Machst du bitte alles für die Abreise bereit?“
    „Klar.“ Ein weiterer Kuss, dann gingen sie getrennte Wege.
    Alex klopfte an die offen stehende Tür zu Lillis Kinderzimmer. Sie sah auf.
    „Darf ich reinkommen?“, fragte Alex einfühlsam.
    „Ja“, antwortete Lilli.
    Er setzte sich neben seine Tochter auf das Bett. Sie trug bereits das schwarzweiße, trotz alledem sehr süße Kleid. Vor allem die kleinen weißen Socken mit den schwarzen Schuhen wirkten unglaublich niedlich. Alex war so stolz darauf, eine so wunderschöne Tochter zu haben.
    „Warum möchtest du nicht auf die Beerdigung gehen, Süße?“
    „Weil ich traurig bin.“
    Einzelne Tränen liefen über ihr kindliches Gesicht. Alex brach es das Herz, seine Tochter so leiden zu sehen.
    „Das glaube ich dir, Süße, aber traurig sind wir alle. Deswegen gehen wir auch zur Beerdigung, um uns zu verabschieden, verstehst du das?“
    „Nein.“
    „Das ist nicht schlimm“, er nahm seine weinende Tochter in die Arme und drückte sie so fest er konnte an sich. Er würde sie nie wieder alleine lassen.
    „Warum Onkel Andleas gestorben, Papa?“
    „Weil Menschen nun einmal sterben, Süße. Ich wünschte, ich könnte dir eine schönere Antwort geben. Ich wünschte, ich könnte dir eine Welt ohne Tod schenken. Doch leider geht das nicht.“
    „Aber … ich vermisse Onkel Andleas.“
    „Das glaube ich dir. Wir alle vermissen ihn. Doch weißt du was? Menschen sterben zwar, doch es ist nicht das Ende.“
    „Nein?“
    „Nein. Onkel Andreas ist jetzt bei den Engeln im Himmel. Dort trifft er all jene wieder, die er auf der Erde verloren hat, und kann sein weiteres Dasein mit ihnen verbringen.
    Ist das nicht schön?“
    Lilli nickte.
    „Ich Onkel Andleas auch wiedersehen?“
    „Irgendwann, Süße. Doch bis dahin vergehen noch viele Jahre. Du wirst noch so viele Dinge erleben und noch viele Orte kennenlernen. Außerdem würden deine Mama und ich dich ganz doll vermissen, wenn du jetzt schon zu Onkel Andreas in den Himmel gehen würdest.“
    „Aber … aber ich will ihn jetzt wiedersehen.“
    „Das kannst du auch. Schau.“
    Alex legte seine linke Hand auf Lillis linke Brust, während er die rechte Hand auf seine linke Brust legte.
    „Onkel Andreas ist nicht ganz fort, weißt du? Wenn Menschen sterben, verwandeln sie sich in Engel und fliegen in den Himmel empor. Dabei verlieren sie Federn, die sich in den Herzen ihrer Liebsten einnisten, damit sie nicht vergessen werden. Verstehst du?“
    „An Onkel Andleas denken?“
    „Ja, Süße. Solange wir weiterhin an Onkel Andreas denken und ihn in unseren Herzen tragen, lebt er auf Erden weiter. Er ist also nicht wirklich tot. Er wartet nur auf uns … da oben.“
    „Im Himmel“, verbesserte Lilli ihn.
    „Ganz genau. Und was sagst du jetzt, Lilli? Wollen wir uns von Andreas verabschieden und ihm sagen, dass er auf uns warten soll?“
    Lilli nickte.
     
    Jetzt, wo er vor dem offenen Grab seines kleinen Bruders stand, um sich zu verabschieden, war ihm, als sollte er sich erinnern. Egal ob gute oder schlechte Erinnerungen, sie gehörten zu Andreas und seinem einstigen Leben.
    Alex sah sich um. Es waren nicht viele Menschen zu seiner Beerdigung erschienen. Was nicht überraschend war nach all dem, was passiert war. Am Ende waren es Ralfie, Lisa, Lilli, er selbst und ein paar Arbeitskollegen, die ihm die letzte Ehre erwiesen.
    Ralfie war zu Alex’ Unterstützung gekommen und er war froh darüber. Ohne seinen besten Freund würde er wohl heute nicht mehr hier stehen. Eine glückliche Fügung hatte ihn anrufen lassen, damit er erfuhr, wo Alex hinwollte.
    Nachdem der Nachmittag verstrich, hatte sich Ralfie gedacht, dass es doch eine gute Idee wäre, wenn sie zu dritt einen Kaffee trinken würden, um in Ruhe über alles zu reden. Nie hätte er gedacht, dort eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher