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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken
Autoren: William R. Forstchen
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Emil.
    »Wellington, wenn ich mich richtig erinnere«, antwortete Andrew.
    Emil nickte.
    »Obgleich Wellington niemals irgendetwas wie das hier sah«, erwiderte Emil.
    »Wellington wurde nie so vernichtend geschlagen wie wir«, sagte Andrew, »nicht einmal in Spanien.«
    »Nun, Sie verschafften uns nun die Zeit, die wir brauchen«, sagte Emil und versuchte, fröhlich zu klingen.
    »Zu welchem Preis?«, flüsterte Andrew.
    »Sie meinen Yuri, die arme Seele«, erwiderte Emil. »Er war schon zu dem Zeitpunkt ein toter Mann, als die Merki ihn vor zwanzig Jahren zu einem Schoßtier machten. Sie gaben ihm die Chance zu einem ehrenvollen Ende, und er ergriff sie. Machen Sie sich nicht für seine Opferung verantwortlich.«
    »Es ist nicht seine Opferung, die mich quält, guter Doktor«, antwortete Andrew steif und kühl.
    »Was ist es dann?«, fragte Emil, rückte näher und spürte eine Dunkelheit, die qualvoll in der Seele seines Freundes brannte.
    »Die Merkischoßtiere«, erwiderte Andrew nach einem langen Moment qualvoller Stille. »Die Cartha-Gefangenen, all jene, die wie Yuri mit der Horde umherzogen.«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Mindestens hunderttausend oder noch mehr, zusammen mit vielleicht weiteren fünfzigtausend Cartha-Gefangenen, die immer noch am Leben sind«, sagte Andrew und blickte direkt zurück nach Westen, beinahe, als könnte er sie sehen.
    Emil wartete und wagte nicht zu fragen.
    »Wenn sie Jubadi begraben, wird jeder einzelne von ihnen geopfert werden. Yuri erzählte mir, dass das der Brauch war. Ich verschaffte uns dreißig Tage Zeit, und einhundertfünfzigtausend Menschen werden nur aufgrund dessen sterben, was ich getan habe.«
    »Weiß Hamilcar das?«, fragte Emil.
    »Er wird es bald wissen«, antwortete Andrew.
    »Gott steh ihm bei.«
    »Gott steh ihm bei«, flüsterte Andrew, »und Gott möge mir verzeihen, da ich bezweifle, dass irgendjemand anders es wird.«
    Kathleen, von Gefühlen übermannt, zitterte, legte ihre Arme um Andrew und wünschte, sie könnte ihn trösten. Doch sie wusste, ihn daran zu erinnern, dass die Gefangenen in jedem Fall verdammt waren, wäre nicht genug. Sie vergrub ihren Kopf in seinem leeren Ärmel und begann zum ersten Mal seit Jahren zu weinen.
    Andrew, der sich ihrer Gegenwart kaum bewusst war, beobachtete, wie die Station allmählich in die Dunkelheit des Sturms verschwand.
    »Es ist spät, mein Freund.«
    Hulagar bewegte sich nicht, als Tamukas Hand seine Schulter berührte.
    »Du musst deswegen nicht hier sein«, sagte Tamuka.
    Hulagar antwortete nicht.
    Tamuka, Schildträger des Qar Qarth Vuka du Jubadi, trat an Hulagars Seite und kniete nieder. Draußen war alles still, mit Ausnahme des rhythmischen Schlagens der großen Trommeln, angepasst an das Tempo eines schlagenden Herzens, das ununterbrochen weitergehen würde, bis, am Ende von dreißig Tagen, Jubadi schließlich auf seine Reise zu den immerwährenden Himmeln gesandt wurde. Heute Abend, am ersten der dreißig Tage, war die Nacht stummer Trauer, die große Stille, denn dies war die Nacht, in der die Ahnen in den Lagern umhergingen, angezogen von der Stille. Es hatte keinen Abschiedsgesang für die Abendsonne gegeben, keine Lieder der Sänger der Namen, keine prahlerischen Geschichten, die mit dem Rauch der zehntausend Lagerfeuer emporstiegen. Dies war die Nacht, in der die Ahnen sich erhoben, auf die Stille achteten und sich deshalb um die Jurte von Jubadi Qar Qarth versammelten. Die gewaltige goldene Jurte war dunkel, abgesehen von einer einzelnen Lampe, die im Zentrum des Zelts hing, und deren flackernde Flamme ein schwaches Licht auf den nackten Körper Jubadis warf, einst Qar Qarth der Merkihorde.
    Sämtliche Feuer in allen Lagern der Horde waren gelöscht worden, mit Ausnahme der einzelnen Trauerlampe. Mit seiner dünnen, spitz zulaufenden Flamme würde der Scheiterhaufen entzündet werden, und der Rauch dieser Feuersbrunst würde die Seele von Jubadi mit sich tragen. Und wenn dieses Feuer Jubadis sterbliche Überreste endlich verschlungen hatte, erst dann würde der neue Qar Qarth die Kraft des Feuers an sein Volk zurückgeben. Alle Feuer würden an diesem Scheiterhaufen angezündet werden, und sie würden bis zu dem Zeitpunkt brennen, an dem Vuka Qar Qarth auf der Rauchsäule zum Himmel ritt.
    Tamuka betrachtete seinen alten Freund, seinen Führer, seinen ersten Lehrer, der ihn als Schildträger unterwiesen hatte. Es bestand keine Notwendigkeit zu fragen – er konnte in dessen Seele blicken und
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