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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
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die Erste sein, die keine Lust mehr hat.«
    Damit hat sie ganz klar recht.
    »Natürlich nicht! Dazu läuft es viel zu gut!« Ich versuche, mir meine Zweifel nicht anmerken zu lassen, setze ein zuversichtliches Lächeln auf und würfle eifrig.
    Eine Sechs! Schon wieder!
    Unter den neidischen Blicken meiner Mitspieler eröffne ich meine erneute Offensive, und es dauert nur wenige Runden, bis ich den ersten Gegner aus dem Feld geschlagen habe. Ein gemeinsamer Spieleabend war längst überfällig. Während ich darauf warte, wieder an die Reihe zu kommen, schaue ich zufrieden im Zimmer umher. Verschiedene Töpfe und Pfannen hängen an der Wand und wirken eher wie Dekorationsartikel als wie Gebrauchsgegenstände. Das blankgeputzte Metall schimmert im Licht der Küchenlampe, die wir bereits vor einiger Zeit eingeschaltet haben.
    Wieso spielen wir in der Küche?
    Direkt konzentriert sich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Spielbrett, als der Junge mit den hellbraunen Haaren eine Zwei würfelt und die entsprechende Anzahl Felder nach vorne rückt.
    Völlig unerheblich. Was an dieser belanglosen Aktion hat meine Interesse auf sich gezogen? Hatte ich gerade nicht über etwas anderes nachgedacht?
    Um meinen Freunden den Spaß nicht zu verderben, gebe ich vor, weiter gebannt auf den Tisch zu starren. Währenddessen durchforste ich mein Gedächtnis nach Antworten auf Fragen, die ich nicht kenne.
    Eine kreiselnde Flasche am Seeufer.
    Verlogene Schlampe. Ich hasse dich.
    Das raue Holz der Haustür.
    Ein lebloser Körper am Boden.
    Ein blutiger Knochen, der aus der Haut ragt.
    Du hast mir das Leben gerettet.
    Weiße Blätter in der Luft.
    Ich möchte mit dir zusammen sein.
    Du hast mich unglaublich glücklich gemacht.
    Ehrenkodex.
    Ein gelöschtes Gedächtnis.
    Das Messer an der Kehle.
    Du bist viel stärker als ich.
    Beste Freundin verraten.
    Das kühle Wasser des Gartenteichs.
    Verankerte Realität.
    Former.
    Ich mag dich nicht einmal.
    Du interessierst mich nicht im Geringsten.
    Der grelle Schmerz der Nadel.
    Dunkelheit.
    Natürlich wird sie das nicht überleben.
    Jan hat mich systematisch fertiggemacht und anschließend betäubt. Die Menschen um mich herum sind keine Freunde. Im Gegenteil. Ich stehe unter der Kontrolle eines Formerteams. Ich schwebe in höchster Gefahr. Ich muss so schnell wie möglich –
    Nein! Das Mädchen mit der Brille hat eine Sechs gewürfelt und tatsächlich eine meiner Figuren geschlagen. Verschmitzt nickt sie mir zu und bemerkt amüsiert meine finstere Miene.
    »Gönne uns doch auch mal was! Bei der letzten Runde hast du uns gnadenlos abgezockt.«
    Das stimmt allerdings. Ich sollte mir vor Augen halten, dass es nicht nur ums Gewinnen geht. Ist es nicht viel wichtiger, dass wir Zeit miteinander verbringen und Spaß haben?
    Entspannt lehne ich mich zurück. Leider kann ich meinen Ehrgeiz trotzdem nicht komplett abschütteln, sodass mir ein glückliches Seufzen entfährt, als ich eine Drei würfle. Unter dem Gelächter der anderen entferne ich ein grünes Männchen vom Spielfeld. Blau zum Sieg!
    Interessiert verfolge ich die Würfe meiner Mitspieler. Natürlich muss ich nicht gewinnen, aber schön wäre es. Zweimal in Folge die Freunde beim Mensch-ärgere-dich-nicht abziehen – ein Traum. Möglicherweise könnte ich dann auch in einer dritten Partie den Sieg davontragen. Vielleicht spielt der süße Typ in der nächsten Runde mit. In diesem Fall wäre ich sogar bereit, ihn gewinnen zu lassen, um seinen männlichen Stolz nicht zu verletzen. Eventuell kämen wir ins Gespräch.
    Der Kerl hinter mir an der Wand ist Jan. Er hat mich verraten. Sein Formerteam hält mich unter mentaler Kontrolle und gaukelt mir eine Schweinwelt vor. In Wirklichkeit befinde ich mich unter Feinden. Ist er der Anführer?
    Sie alle wollen meinen Tod, und ich habe keine Ahnung, aus welchem Grund. Wollen sie Zeit gewinnen? Warum eliminieren sie mich nicht direkt? Was haben sie mit mir vor?
    Ich muss hier raus.
    Sie wird sterben. Sie oder ich. So läuft das eben.
    Klar, für wessen Tod sich Jan entschieden hat. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis mich das Team zur Schlachtbank führt. Und ich sitze am Tisch, ohne ihnen etwas entgegenzusetzen.
    Ich muss bei klarem Bewusstsein bleiben.
    Die Panik kriecht in mir empor.
    Ich muss mich zur Wehr setzen.
    Mein Denken von ihrem Einfluss befreien.
    Ich will nicht sterben!
    »Bitte eine Fünf! Bitte, bitte eine Fünf!« Beschwörend murmle ich vor mich hin, während ich den Würfel von
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