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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
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will, fällt ihm das Mädchen ins Wort. Ihre Stimme klingt deutlich schriller als zuvor.
    »Du glaubst, ich sei ein unterentwickeltes, hormongesteuertes Mädchen, das dir mit seinem Kindergartenniveau auf die Nerven geht?« Sie wird noch lauter. »Du willst es mir besorgen? Das passt zu dir. Das ist genau dein Ding. Dir einfach nehmen, was du willst.«
    In diesem Moment blitzt in Jans Augen die Erkenntnis auf. Seine Pupillen zucken zu mir. Als sich unsere Blicke treffen, nicke ich ihm fast unmerklich zu. Seine Gesichtszüge entgleisen und sein Körper verkrampft sich. Gleich wird alles so schnell gehen, dass mich niemand von meinem Vorhaben abbringen kann. Wenn das Team das Geschehen registriert, wird es zu spät sein.
    Das Mädchen knallt beide Handflächen auf die Tischplatte.
    »Ich bin eine dumme Gans, die alles tun würde, damit sie nicht von dir abgewiesen wird? Maßt du dir nicht zu viel an?«
    Jan stößt sich von der Wand ab und geht langsam durch die Küche.
    »Mein dummes Geschwätz hat dich angewidert? Du warst genervt von meinem Gewinsel? Was für ein Glück, dass wir dein Gejaule nicht hören können.«
    Er dreht sich leicht zur Seite, und auch ich wende ihm mein Gesicht zu. In seinem Blick sehe ich Hass, Unglaube, aber vor allem Verzweiflung.
    Du bist viel stärker als ich.
    Ja.
    Du glaubst, dass du stark genug bist, jemandem deinen Willen aufzwingen zu können, selbst wenn es für ihn den Tod bedeuten würde?
    Ja.
    »Du fandest es lustig, mich zugrunde zu richten und verletzt am Boden zu sehen?«
    Jan ergreift das lange Messer so fest, dass seine Knöchel weiß werden. Er zieht es aus dem Holzblock und setzt es sich mit einer raschen Bewegung an die Kehle. Sein Brustkorb hebt und senkt sich in schnellem Rhythmus, während seine Augen um Gnade flehen.
    Ich kann nicht anders. Ich muss mich wehren.
    Es ist meine einzige Möglichkeit.
    Er oder ich.
    Das Mädchen wischt mit einem rücksichtslosen Schwung das Spielbrett samt Figuren vom Tisch.
    »Ich habe dir vertraut.«
    Mit einer präzisen Bewegung zieht sich Jan die scharfe Klinge über die Kehle und dreht gleichzeitig den Kopf. Das Messer dringt tief in seinen Hals ein und durchtrennt die Luftröhre sowie beide Halsschlagadern. Das Blut ergießt sich dunkel und rot auf den hellen Küchenboden. Er sinkt geräuschlos in sich zusammen, und um mich herum bricht die Hölle los.
    Die beiden anderen Mitspieler springen auf und sprinten zu Jans leblosem Körper, der in einer stetig wachsenden Blutlache am Boden liegt. Das Mädchen mit der Brille steht unter Schock und schaut mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Die Blicke der drei Former am Fenster pendeln entsetzt zwischen dem Mädchen und Jan hin und her.
    Kurz droht mich die Erschöpfung zu überrollen, doch ich schaffe es, sie zurückzudrängen. Ihre Konzentration ist gebrochen. Ich muss handeln.
    Mit einer fließenden Bewegung schiebe ich meinen Stuhl zurück und stehe auf. Unmittelbar blicken alle zu mir. Ich schaue zuerst das Mädchen mit der Brille an und drehe langsam den Kopf. Als meine Augen auf Jan gerichtet sind, lächle ich kalt. Schmal und mysteriös. Ich höre ein scharfes Keuchen, mit dem einer der anderen Former die Luft einzieht. Im Raum ist es totenstill.
    Jetzt.
    FLIEHT!
    Schonungslos zwänge ich den brutalen Befehl in ihre Köpfe. Die beiden Jungs, die neben Jans Leiche knien, verkrampfen sich und starren mich mit schreckensgeweiteten Augen an. Die drei Former am Fenster werden leichenblass, pressen ihre Lippen zusammen und schlucken hart. Das Mädchen mit der Brille zieht von Grauen erfüllt die Schultern hoch. Dann öffnet sie den Mund zu einem durchdringenden Schrei: »Weg hier!«
    In diesem Moment erwachen sie aus ihrer Lähmung. Wie vom Teufel geritten flüchten die Former aus dem Haus. Ihre angsterfüllten Rufe gellen in den Ohren.
    Ich laufe zum Fenster und beobachte, wie sie Hals über Kopf in einen Van springen und so schnell davonfahren, dass der Kies unter den Reifen aufspritzt. Für einige Zeit stehe ich da, schließe die Augen und lege meine Stirn an die Scheibe. Die Dunkelheit hinter meinen geschlossenen Lidern bildet einen willkommenen Kontrast zum grellen Küchenlicht. Der Sog der Bewusstlosigkeit zerrt immer stärker an mir. Am liebsten würde ich mich erschöpft in die Schwärze fallen lassen.
    Wer weiß, wann das Formerteam zurückkehrt?
    Ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis dieser Levander auftaucht, den Jan am Telefon erwähnt hat?
    Ich muss das Haus verlassen,
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