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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
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Aber gestern Abend hast du dem Trauerspiel die Krone aufgesetzt.«
    Ich schlucke. »Warum hat meine Macht versagt?«
    Jan ächzt genervt. »Das müsstest du doch gestern Abend schon kapiert haben. Mit der Gabe kann ein Former die Realität beugen. Je komplexer ein Sachverhalt ist, je weiter er sich vom »Ist-Zustand« entfernt, desto mehr Kraft braucht man dafür. Und je mehr Menschen in der Nähe sind, die bewussten oder unbewussten Einfluss ausüben und dadurch die Realität verankern, desto schwieriger wird es.
    Keiner achtete auf euch, als du im Einkaufszentrum den armen Jungen in den Brunnen gestürzt hast. Die Passanten hatten sich nicht vorgestellt, dass er etwas anderes tun würde – dadurch hattest du nur geringfügigen Widerstand.
    Und gestern bist du endlich an deine Grenzen gestoßen. Wären wir beide alleine am Teich gewesen, hätte die Gabe gegriffen und dich vor dem Sturz stabilisiert. Die vielen Gäste, die dich beobachteten und sicher waren, dass du gleich im Wasser liegen würdest, verankerten jedoch die Realität so fest, dass sogar deine Kraft nicht ausreichte, um die Blamage abzuwenden. Und peinlich war es wirklich. Mein Gott, wie man so blöd sein kann und...«
    Schweig! Das reicht!
    Jan schließt den Mund und fixiert mich böse.
    Meine Kehle fühlt sich an wie zugeschnürt, und meine Lungen scheinen nicht genug Sauerstoff zum Atmen zu bekommen. Von Anfang an hat er mich belogen und mit meinen Gefühlen gespielt. Nun hinterlässt er nichts als einen großen Scherbenhaufen. Wie konnte ich mich derartig täuschen und ihm mein Vertrauen schenken?
    Offenbar zeichnen sich die Empfindungen deutlich auf meinen Zügen ab, denn Jan schnauft belustigt.
    »Sonderlich schwer war es nicht, dein Vertrauen zu erschleichen. Du bist mir so hörig, dass du nicht nur alle, die dir nahe stehen, belogen und manipuliert, sondern sogar deiner besten Freundin eine wichtige Erinnerung genommen hast. Du hast sie verraten. Du besitzt nicht die geringste Menschenkenntnis und hast die einzige Person weggestoßen, die echtes Verständnis für dich hatte. Mir hast du nie etwas bedeutet.«
    Lange bleibt es still zwischen uns.
    Er hat mich also nicht nur die ganze Zeit über gelenkt und meine Gefühle ausgenutzt, sondern auch noch dafür gesorgt, dass ich meine beste Freundin hintergehe, sodass er zum einzigen Rückzugspunkt für mich wurde. Ich habe Viv geschworen, die Gabe niemals bei ihr einzusetzen. Nun habe ich sie auf die schlimmste Art betrogen, die für sie vorstellbar war.
    Ich fühle mich so unglaublich schäbig, getäuscht und verloren. Zuerst sorgte er dafür, dass er mein Vertrauter wurde, nur um mich anschließend eiskalt fertigzumachen. Er hat mich auf die denkbar schlimmste Art verletzt. Wie kann man jemanden derart hassen?
    Die folgende Frage wird meine letzte sein. Ich bin am Ende und kurz davor, aufzugeben, was Jan aufmerksam registriert. Ich fühle mich ausgelaugt und kraftlos.
    »Warum?«
    Jan grinst gehässig, doch er antwortet nicht. Scheinbar genießt er diesen Moment des Innehaltens, bevor er mich endgültig in den Abgrund stürzt.
    »Warum tust du das?«
    »Hast du das immer noch nicht verstanden? Weil du mir völlig gleichgültig bist, und ich geradezu froh bin, dass du mich zwingst, dir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Du bist ein unreifes Mädchen. Ich kann es kaum erwarten, nichts mehr mit dir zu tun zu haben. Du interessierst mich nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil. Dein Gewinsel über die Gabe, deine lächerlichen Zweifel machen mich wahnsinnig. Kapierst du nicht, dass es ein großartiges Geschenk ist, das dir gegeben wurde?
    Aber nein. Ständig diese selbst erschaffenen Probleme. Ich habe Viv getäuscht. Ich habe bei einer Arbeit betrogen. Wie schrecklich. Wie unglaublich lächerlich.
    In den letzten Tagen musste ich nicht selten dem innigen Wunsch widerstehen, dich zu knebeln, nur damit ich dein dummes Geschwätz nicht mehr mit anhören muss. Hast du wirklich geglaubt, ich hätte mich in dich verliebt? Du bist so leicht zu manipulieren, dass es beschämend ist.
    Was sollte ich an dir finden? Du bist so durchschnittlich und langweilig. Nicht einmal deine Gabe macht dich spannender. Das Schönste, was ich mit dir erlebt habe, ist das momentane Gespräch. Ich hätte nicht erwartet, dass es dermaßen lustig wird.«
    In diesem Moment bricht meine mentale Beeinflussung zusammen. Der grauenvolle Schmerz, den seine Worte erneut in mir auslösen, ist zu intensiv und füllt mein komplettes
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