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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Autoren: Loons Gerringer
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leiser
wurde; der Teich blieb ihnen hinter den Hecken verborgen. Und im Hintergrund
das stete Rauschen des M25, ein Ostinato der Zivilisation. Auf jeden Fall
besser als die Sirenen der Rettungswagen, die das Ostinato seines Alltags in
der Klinik bildeten. Rettungswagen, die viel zu oft die blutigen Überreste von
Unfällen heranbrachten. Man gewöhnte sich daran, oder man gab auf. Dazwischen
gab es nichts. In den letzten Wochen, seit er auch in den Ferien dort
arbeitete, hatte er angefangen, sich dran zu gewöhnen. Aber es war schon gut,
mal einen Tag Pause zu machen. Der Ausflug war vielleicht doch keine so
schlechte Idee gewesen.
    Ein verschwommener Glockenton klang von Wokenduna Hall
herüber. Die Uhr dort schlug fünf.
    „Wir sollten uns wohl mal auf den Rückweg machen“,
sagte James.
    „Sind wir doch schon die ganze Zeit. Ich halt mich
immer links. Das müsste uns dahin zurückbringen, wo wir reingekommen sind.“
    Ob er auf den Weg hätte achten sollen? Auf einmal
wurde James klar, dass er keine blasse Ahnung hatte, wo in diesem Irrgarten sie
sich befinden mochten. Das hier war ein Park für Sonntagsausflügler, es konnte
also nicht so schwer sein, herauszufinden. Wäre aber peinlich, wenn sie nicht
pünktlich zu den anderen zurückkamen. Er sah auf, suchte nach einem
Anhaltspunkt – über den Hecken musste doch irgendwas von diesem Herrenhaus zu
sehen sein. So weit waren sie ja nicht davon entfernt. Aber er sah nur
schwarzgrüne Eibenwände, getüpfelt vom Maraschinokirschenrot ihrer kleinen
Früchte. Hier und da Baumwipfel, die über die Hecken ragten.
    „Warte mal. Lass uns einen Moment überlegen, wie wir
am besten gehen –“, rief er Carmino nach.
    Ein höhnisches Kichern antwortete ihm. Als er sich
umsah, bog Pix um die Ecke. „Na, habt ihr euch verlaufen? War ja klar.“ Sie
zerrte die Griffe ihrer Tasche auf der Schulter zurecht und wedelte mit dem Handy,
das die Misshandlung vorhin demnach wohl doch überlebt hatte.
    „Was machst du denn hier?“, fragte Carmino entnervt.
„Ich dachte, du hast ’nen Herzanfall oder so was!“
    „Und ich dachte, falls der da über dich herfällt, mach
ich ’n paar Fotos“, erwiderte sie und warf James einen schrägen Blick aus
schmalen Augen zu.
    „Du bist echt eine perverse Kuh.“
    „Ich geh dann mal weiter“, sagte James. „Macht’s gut.“
    „Als wenn du wüsstest, wo’s langgeht!“
    „Er sagt, es gibt ’ne Formel, mit der man immer
rausfindet.“
    „Ach ja? Es gibt keine, die funktioniert. Abgesehen
von einem Ariadnefaden. Und den seh ich hier nirgends.“
    „Ach, und wie kommen dann all die Leute wieder raus?
Wieso liegen dann hier nicht überall vergammelte Leichen rum?“
    „Die Leute haben den Plan mit, der drüben im Haus
ausliegt, Spacko“, erwiderte Pix und stopfte ihr Handy in die Tasche zurück.
    „Also, für einen Garten mit ein paar Heckenwegen
braucht man wohl kaum einen Plan“, erklärte James gelassen. „Wir gehen einfach
wieder zurück, wie wir gekommen sind. Oder hast du einen besseren Vorschlag?“
    „Nö. Mir ist das doch egal. Ich fänd’s lustig, wenn
die uns hier suchen müssen.“
    „He, guckt mal hier durch!“
    James folgte in der Hoffnung, dass Carmino ein Schild
mit der Aufschrift „Zum Ausgang hier entlang“ oder so was gefunden hatte. Aber
da war nur ein weiteres Gitter, hoch und so schmal wie die Schießscharte in
einer Burgmauer.
    „Cool, was?“
    Auf der anderen Seite keine Blumen, sondern moosiger
Steinboden. Die Steine waren so bearbeitet, dass sie wie eine in den Boden
eingelegte Skulptur wirkten. Es dauerte einige Sekunden, bis sich das Auge aus
den Erhebungen und mit Schatten gefüllten Senken ein Bild zusammengesetzt
hatte. Dann wurde die größte, sanft gewölbte Fläche des gelblichen Steins mit
einem Mal zur Aufsicht auf einen Schädel. Darunter erkannte man den
perspektivisch verkürzten Rest mit dunklen Augenhöhlen und allem. Nicht
schlecht. Mit einiger Mühe entzifferte er die moosüberzogenen Buchstaben, die
darunter in den Stein graviert waren. „ Das Gehirn ist eine Insel im Nichts,
welches es mit der Vielfalt der Erscheinungen bevölkert .“
    Woher kannte er das? Aus einem Lehrbuch, Geschichte
der Medizin vielleicht?
    Carmino war inzwischen den Rest des Weges abgegangen.
„Hier geht’s nicht weiter!“, verkündete er nun und kam zurück. „Da vorne ist
Schluss.“
    „Vielleicht ist das ja die Lösung des Rätselgartens.
Das Ganze ist wie ein Gehirn angelegt, und wir gehen
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