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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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geöffneten Türflügeln. Zwei Türflügeln, die in den Hang hineinführten. Hilary war nirgends zu sehen.
    Hilary stieg jetzt rückwärts die sechste Stufe hinunter, die letzte. Bruno Frye stand oben an der Treppe und blickte hinunter, hatte Angst, weiterzugehen. Er beschimpfte sie abwechselnd als Miststück und wimmerte wie ein Kind. Offensichtlich wurde er zwischen dem Drang, sie zu töten, und dem Drang, jenen verhaßten Ort zu verlassen, hin und hergerissen.
    Wispern. Plötzlich hörte sie das Wispern, und in dem Augenblick schien sie zu Eis zu erstarren, ein wortloses Zischen, leise, aber ständig lauter werdend.
    Und dann spürte sie etwas, das ihr am Bein hochkroch. Sie stieß einen Schrei aus und stieg eine Stufe hinauf, Frye entgegen. Sie griff an sich hinunter, wischte an ihrem Bein herum und stieß etwas weg.
    Schaudernd knipste sie die Lampe an, drehte sich um und leuchtete in die unterirdische Kammer hinunter. Kakerlaken. Hunderte und Aberhunderte von riesigen Kakerlaken wimmelten in dem Raum durcheinander – am Boden, an den Wänden, an der niedrigen Decke, keine gewöhnlichen Kakerlaken, sondern wahre Ungetüme, über fünf Zentimeter lang, zweieinhalb Zentimeter breit, mit zuckenden Beinen und besonders langen Fühlern, die gierig zitterten. Ihre glänzenden grünbraunen Leiber wirkten klebrig und feucht wie Klumpen schwarzen Schleims.
    Das Wispern kam von ihrer unablässigen Bewegung, ihren langen Beinen und den zitternden Antennen, die andere lange Beine und Antennen streiften, ein beständiges Krabbeln und Kriechen und Hin- und Herhuschen.
    Hilary schrie. Sie wollte die Treppe hinaufrennen und diesem schrecklichen Raum entkommen. Aber dort oben wartete Frye. Die Kakerlaken wichen vor dem Lichtkegel ihrer Taschenlampe zurück. Es handelte sich ganz offenbar um unterirdische Insekten, die nur in der Dunkelheit überleben konnten, und sie betete darum, daß die Batterien jetzt nicht den Geist aufgäben. Das Wispern wurde lauter.
    Immer mehr Kakerlaken strömten in den Raum. Sie kamen aus einem Spalt im Boden, zu Dutzenden und Aberdutzenden, zu Hunderten. In dem Raum befanden sich jetzt bereits ein paar tausend der widerwärtigen Geschöpfe, und der ganze Raum besaß höchstens eine Kantenlänge von sechs Metern. Sie türmten sich zu zweit und zu dritt in der anderen Hälfte des Raumes übereinander, wichen dem Licht aus, wurden aber von Augenblick zu Augenblick dreister.
    Sie wußte, daß ein Entomologe sie wahrscheinlich nicht als Kakerlaken bezeichnen würde; es handelte sich um Käfer, unterirdische Käfer, die in den Eingeweiden der Erde lebten. Ein Wissenschaftler hätte sicherlich einen klaren lateinischen Namen für sie gefunden. Aber für Hilary waren es Kakerlaken. Hilary blickte zu Bruno auf. »Miststück«, zischte der.
    Leo Frye hatte einen Kühlkeller gebaut, etwas, das 1918 durchaus üblich war. Er hatte ihn, ohne das zu ahnen, über einer Stelle erbaut, wo die Erdkruste aufgerissen war. Sie konnte erkennen, daß er viele Male versucht hatte, den Boden abzudichten, aber der Riß war nach jedem leichten Erdstoß immer wieder aufgesprungen. Und in einem Erdbebengebiet gab es oft Erdstöße. Die Kakerlaken krochen aus der Hölle empor. Sie strömten immer noch aus dem Loch, eine strampelnde, glitschige, immer dichter werdende Masse.
    Sie stiegen übereinander, fünf und sechs und sieben der Kreaturen, bedeckten Wände und Decke, bewegten sich, ein endloses Bewegen war das, schwärmten ohne Unterlaß. Das kalte Wispern ihrer Bewegung schien zu einem brausenden Dröhnen angeschwollen.
    Katherine hatte Bruno in diesen Raum gesteckt, um ihn zu bestrafen. In die Dunkelheit. Jedes Mal viele Stunden lang. Plötzlich bewegten sich die Kakerlaken auf Hilary zu. Der Druck der sich aufbauenden Schichten führte schließlich dazu, daß sie ihr wie eine sich überschlagende Welle entgegenbrandeten, eine wirbelnde grünbraune Masse. Trotz des Lichts wälzten sie sich zischend auf sie zu.
    Sie schrie und wollte die Treppe hinauflaufen, zog Brunos Messer der ekelhaften Insektenhorde hinter sich vor.
    Frye grinste und meinte: »Sieh' mal, wie es dir gefällt, Miststück.« Er knallte die Tür zu.
    Die Rasenfläche hinter dem Haus war höchstens zwanzig Meter lang, aber für Tony schien es von der Veranda bis zu der Stelle, an der Frye stand, mehr als eine Meile. Er glitt im feuchten Gras aus und stürzte, fiel auf seine verletzte Schulter. Einen kurzen Augenblick lang flammte ein grelles Licht hinter
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