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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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verbrenne jede Menge Kalorien durch Nervenenergie.« »Sie? Nervös?«
    »Reizbar wie eine Siamkatze.«
    »Das glaub' ich nicht. Ich wette, Sie kann nichts auf der Welt erschüttern«, meinte sie.
    Sie sah recht gut aus, eine Frau um die Dreißig, zehn Jahre jünger als er; und wenn er sie wollte, könnte er sie haben, dachte er bei sich. Man würde ihr ein wenig den Hof machen müssen, aber wohl nicht allzu sehr; nur so viel, daß sie sich selbst einreden könnte, er habe sie einfach mitgerissen – so, wie es Rhett mit Scarlett gemacht hatte – und gegen ihren Willen in sein Bett geholt. Wenn er allerdings mit ihr Liebe machte, würde er sie nachher töten müssen. Er müßte ein Messer in ihren hübschen Busen stoßen oder ihr die Kehle durchschneiden, und eigentlich wollte er das gar nicht. Sie war weder die Mühe noch das Risiko wert. Sie war einfach nicht sein Typ; Rothaarige brachte er nicht um.
    Er gab ihr reichlich Trinkgeld, zahlte die Rechnung an der Registrierkasse neben der Tür und ging. Nach dem klimatisierten Restaurant wirkte die Septemberhitze wie ein schweres Kissen, das man ihm aufs Gesicht drückte. Während er zu seinem Dodge-Kombi ging, wußte er, daß Helen ihn beobachtete, doch er drehte sich nicht um.
    Vom Imbißlokal aus fuhr er in ein Einkaufszentrum; er parkte an der Ecke des großen Parkplatzes im Schatten einer Dattelpalme, so weit wie möglich von den Läden entfernt. Er stieg zwischen den Schalensitzen durch in den hinteren Teil des Kombis, zog den Bambusvorhang, der den Fahrersitz von der Ladefläche trennte, herunter und streckte sich auf einer dicken, ziemlich mitgenommenen, viel zu kurzen Matratze aus. Die ganze Nacht war er, ohne auszuruhen, durchgefahren, die gesamte Strecke von St. Helena im Weingebiet bis hierher. Jetzt hatte ihn das reichliche Frühstück müde gemacht.
    Vier Stunden später weckte ihn ein schlimmer Traum. Schweißgebadet und fröstelnd, gleichzeitig innerlich brennend und doch beinahe erfrierend, krallte er sich mit einer Hand in der Matratze fest und schlug mit der anderen blindlings in die Luft. Er versuchte zu schreien, doch die Stimme erstickte in seiner Kehle; so brachte er nur ein trockenes, rasselndes Geräusch hervor.
    Zuerst wußte er nicht, wo er sich befand. Nur drei schmale Streifen fahlen Lichtes drangen durch die schmalen Schlitze im Bambusvorhang und bewahrten den hinteren Teil des Kombis vor völliger Finsternis. Die Luft roch warm und abgestanden. Er setzte sich auf, tastete mit einer Hand nach der Karosseriewand, betrachtete mit zusammengekniffenen Augen das Wenige, das es zu sehen gab und begann dann langsam, sich zu orientieren. Als er endlich begriff, daß er im Kombi saß, löste sich seine Spannung; er sank wieder auf die Matratze zurück.
    Er versuchte, sich an jenen Alptraum zu erinnern, konnte es aber nicht. Nichts Ungewöhnliches, er litt fast jede Nacht unter furchtbaren Träumen, aus denen er schreckerfüllt mit trockenem Mund und wild pochendem Herzen erwachte und konnte sich doch nie an das erinnern, was ihm solche Angst eingejagt hatte.
    Obwohl er jetzt wußte, wo er sich befand, beunruhigte ihn die Dunkelheit. Er hörte die ganze Zeit schon verstohlenes Knistern im Zwielicht, weiche, raschelnde Geräusche; seine Nackenhaare sträubten sich, obwohl er wußte, daß er sich das Ganze nur einbildete. Er zog den Bambusvorhang hoch und blinzelte eine Minute lang, bis seine Augen sich wieder an das Licht gewöhnt hatten.
    Dann griff er nach einem Bündel waschlederähnlicher Wäschestücke, die, mit einer dunkelbraunen Schnur zusammengebunden, neben der Matratze auf dem Boden lagen. Er löste den Knoten und rollte sie, insgesamt vier, jedes über das andere gewickelt, auseinander. In der Mitte lagen zwei große Messer, beide besonders scharf. Er hatte viel Zeit darauf verwendet, die schön zulaufenden Klingen rasiermesserscharf zu schleifen. Er nahm eines in die Hand, es fühlte sich seltsam und wunderbar zugleich an, so, als handle es sich um eine mit magischer Energie beseelte Zauberklinge. Und diese Energie strömte nun in ihn.
    Die Nachmittagssonne war aus dem Schatten der Palme, in dem er den Dodge geparkt hatte, herausgetreten. Nun flutete das Licht durch die Windschutzscheibe und traf über seine Schulter hinweg den eisigen Stahl; die scharfgeschliffene Schneide blitzte.
    Er starrte das Messer an, und ein Lächeln breitete sich langsam um seine schmalen Lippen aus. Trotz des Alptraums hatte der Schlaf ihm gutgetan. Er
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