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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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fühlte sich frisch, zuversichtlich und war sich jetzt absolut sicher, daß das Erdbeben am Morgen ihm ein Zeichen bedeutet hatte, daß in Los Angeles alles gutgehen würde. Er würde die Frau finden, Hand an sie legen können. Heute. Oder spätestens am Mittwoch. Bei dem Gedanken an ihren glatten, warmen Körper und ihre makellose Haut dehnte sich sein Lächeln, schwoll zu einem Grinsen an.
    Dienstagnachmittag kaufte Hilary Thomas in Beverly Hills ein. Am frühen Abend zu Hause angekommen, parkte sie ihren kaffeebraunen Mercedes in der kreisförmigen Auffahrt nahe der Haustür. Jetzt, da die Modeschöpfer beschlossen, daß Frauen endlich wieder feminin aussehen durften, hatte Hilary all die Kleider gekauft, die sie während des Zieh-dich-an-wie-ein-Armee-Sergeant-Fiebers, das in den letzten fünf Jahren fast jeden in der Modebranche erfaßt hatte, nicht finden konnte. Sie mußte dreimal gehen, ehe der ganze Kofferraum leer war.
    Das letzte Paket unterm Arm, hatte sie plötzlich das Gefühl, als beobachte sie jemand. Sie drehte sich um und schaute zurück zur Straße. Die bereits tief am Abendhimmel stehende Sonne warf ihre letzten Strahlen zwischen den großen Häusern durch die federartigen Palmwedel und überzog alles mit einem goldenen Schimmer. Zwei Kinder spielten einige Häuser weiter in einem Vorgarten, und ein schlappohriger Cockerspaniel trottete zufrieden über den Bürgersteig. Sonst regte sich in der ganzen Nachbarschaft nichts, es herrschte beinahe unnatürliche Stille. Zwei Personenwagen und ein grauer Dodge-Kombi standen auf der anderen Straßenseite geparkt und, soweit sie das sehen konnte, war keines der Fahrzeuge besetzt.
    Manchmal benimmst du dich wirklich blöd, sagte sie zu sich. Wer sollte dich denn beobachten?
    Aber als sie schließlich noch einmal hinausging, um den Wagen in die Garage zu stellen, hatte sie wieder das unerschütterliche Gefühl, beobachtet zu werden.
     
    Viel später, gegen Mitternacht – Hilary saß im Bett und las –, glaubte sie, unten Geräusche zu hören. Sie legte das Buch beiseite und lauschte.
     
    Klappernde Geräusche. In der Küche. In der Nähe der hinteren Tür. Direkt unter ihrem Schlafzimmer. Sie stieg aus dem Bett und schlüpfte in ihren Morgenmantel aus dunkelblauer Seide, den sie sich erst am Nachmittag gekauft hatte. Eine geladene .32er Automatik lag in der obersten Nachttischschublade. Sie zögerte, lauschte einen Augenblick und beschloß daraufhin, die Waffe mitzunehmen. Sie kam sich fast ein wenig albern vor. Vermutlich hörte sie nur Setzgeräusche, ganz natürliche Laute, die ein Haus eben von Zeit zu Zeit erzeugt. Andererseits wohnte sie jetzt schon sechs Monate hier und hatte bis zum heutigen Tag nichts dergleichen vernommen.
    Oben an der Treppe blieb sie stehen, spähte durch die Dunkelheit hinunter und sagte: »Ist da jemand?«
    Keine Antwort.
    Die Waffe in der rechten Hand haltend, ging sie die Treppe hinunter und quer durchs Wohnzimmer. Sie atmete schnell und flach, und die Hand, die die Waffe hielt, zitterte ein wenig, sie konnte es nicht verhindern. Jede Lampe, an der sie vorbeikam, knipste sie an. Den hinteren Teil des Hauses erreichend, konnte sie noch immer diese eigenartigen Geräusche ausmachen. Aber als sie schließlich in der Küche das Licht anknipste, herrschte völlige Stille.
    Die Küche sah aus wie immer: Der Boden ein aus dunkel lasierten Sprossen bestehendes Kiefernholzparkett. Dunkle Wandschränke aus Kiefernholz mit weißglänzenden Keramik-Armaturen. Weißgekachelte Arbeitsplatten, alles sauber und aufgeräumt. Blitzende Kupfertöpfe und Pfannen hingen von der hohen weißen Decke. Keine Spur von einem Eindringling; nichts deutete darauf hin, daß einer hiergewesen wäre. Sie stand in der Tür und wartete darauf, daß die Geräusche wieder einsetzten.
    Nichts. Nur das Summen des Kühlschranks. Schließlich ging sie um den Küchenblock in der Mitte herum und drückte die Klinke der hinteren Tür – versperrt. Sie schaltete die Außenbeleuchtung ein und zog das Rollo des Fensters über dem Ausguß hoch. Draußen schimmerte rechterhand der zwölf Meter lange Swimmingpool im Mondlicht. Zur Linken im Schatten lag der weitläufige Rosengarten; ein Dutzend helle Blüten glühten wie phosphoreszierende Gasentladungen im dunkelgrünen Blattwerk. Draußen herrschte lautlose unbewegte Stille.
    Ich habe also nur gehört, wie das Haus sich setzt, dachte sie. Du liebe Güte, ich entwickle mich ja noch zur schreckhaften alten Jungfer.
    Sie
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