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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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drehte sich ihm um. Er mußte sich an die Wand lehnen. Alles, was er tun konnte, war, sie zu warnen. »Hilary, lauf! Lauf'! Frye kommt!«
    Hilary wollte gerade ein zweites Mal rufen, als sie Tonys Stimme vernahm. Im ersten Augenblick konnte sie nicht glauben, was sie da hörte, aber dann polterten auf der obersten Treppenstufe schwere Schritte, die allmählich nach unten kamen. Er war noch immer nicht zu sehen, aber sie wußte, daß es niemand anderer, nur Bruno Frye sein konnte.
    Dann dröhnte Fryes heisere Stimme: »Miststück! Miststück! Miststück! Miststück!«
    Halb betäubt, aber vor Schreck keineswegs erstarrt, entfernte Hilary sich rückwärts von der Treppe und fing zu rennen an, als sie Frye herunterkommen sah. Zu spät wurde ihr klar, daß sie nach vorn hätte laufen sollen, nach draußen, zur Seilbahngondel; statt dessen hetzte sie zur Küche, an ein Umkehren war jetzt nicht mehr zu denken.
    Sie stieß die Pendeltür auf und rannte in die Küche, als Frye die letzten Stufen heruntersprang und hinter ihr den Flur erreichte. Sie überlegte, ob sie in den Schubladen nach einem Messer suchen sollte.
    Aber das ging nicht. Keine Zeit.
    Sie lief zur Hintertür, entriegelte sie und hetzte ins Freie, als Frye auf der anderen Seite durch die Pendeltür in die Küche tappte. Die einzige Waffe, die sie besaß, war die Taschenlampe, die sie in der Hand hielt, und das schien keine Waffe. Sie rannte über die Veranda und die Treppen hinunter. Regen und Wind peitschten auf sie ein.
    Er war dicht hinter ihr, schrie immer noch: »Miststück! Miststück! Miststück!«
    Sie würde es nie um das Haus herum und bis zu der Gondel schaffen, ehe er sie eingeholt hätte. Dafür war er schon viel zu nahe und holte beständig auf. Das nasse Gras war glitschig. Sie hatte Angst, hinzufallen. Zu sterben. »Tony?«
    Sie rannte auf den einzigen Ort zu, der vielleicht Schutz bieten konnte: die Tür am Hang.
    Ein Blitz zuckte, und gleich darauf rollte der Donner. Frye schrie jetzt nicht mehr. Sie hörte ein tiefes, animalisches Knurren der Lust. Ganz nahe. Jetzt schrie sie.
    Sie erreichte die Tür im Hang und sah, daß die Flügel oben und unten verriegelt waren. Sie streckte sich, riß den oberen Riegel auf, bückte sich dann und öffnete den unteren, rechnete jeden Augenblick damit, daß sich ihr eine Messerklinge zwischen die Schultern bohrte. Aber der Stoß kam nicht. Sie zog die Türen auf; dahinter verbarg sich tintige Schwärze. Sie drehte sich um. Regen peitschte ihr ins Gesicht.
    Frye war stehengeblieben. Er stand nur zwei Meter von ihr entfernt. Sie wartete zwischen den offenen Türflügeln, die Dunkelheit im Rücken, und fragte sich, was außer einer Treppe noch hinter ihr sein mochte. »Miststück!« rief Frye.
    Aber jetzt erkannte sie mehr Furcht als Wut in seinem Gesicht. »Leg' das Messer weg«, drohte sie, ohne zu wissen, ob er gehorchen würde. Sie bezweifelte es, aber sie hatte jetzt nichts mehr zu verlieren. »Du mußt deiner Mutter gehorchen, Bruno. Leg' das Messer weg.«
    Er machte einen Schritt auf sie zu. Hilary blieb stehen. Ihr Herz schien bersten zu wollen. Frye kam näher.
    Am ganzen Körper zitternd stieg sie die erste Stufe hinter der Tür hinunter.
    Gerade als Tony die oberste Treppenstufe erreichte, wobei er sich mit einer Hand gegen die Wand stützen mußte, hörte er ein Geräusch hinter sich. Er sah sich um. Joshua war aus dem Schlafzimmer herausgekrochen, über und über mit Blut besudelt; sein Gesicht schien fast ebenso weiß wie sein Haar. Seine Augen wirkten glasig.
    »Ist es sehr schlimm?« fragte Tony.
    Joshua leckte sich die blassen Lippen. »Ich werd's überleben«, meinte er mit fremdartig zischender, krächzender Stimme. »Hilary. Um Himmels willen ... Hilary!«
    Tony stieß sich von der Wand ab und hetzte die Treppe hinunter. Schwankend bewegte er sich auf die Küche zu, weil er Frye draußen auf dem Rasen hinter dem Haus schreien hörte. In der Küche riß Tony eine Schublade nach der anderen auf, suchte nach einer Waffe. »Komm' schon, verdammt! Scheiße!«
    Die vierte Schublade, die er öffnete, enthielt Messer. Er nahm sich das größte heraus; es zeigte Rostflecken, war aber immer noch bösartig scharf.
    Sein linker Arm drohte ihn umzubringen. Er wollte ihn mit der rechten Hand an sich drücken, aber seine rechte brauchte er, um gegen Frye zu kämpfen.
    Er biß die Zähne zusammen und wankte wie ein Betrunkener auf die Veranda hinaus. Er sah Frye sofort. Der Mann stand vor zwei
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