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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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Engelssache angefangen? Mit dem …« Sie hielt inne und befeuchtete die Lippen mit der Zunge, als suchte sie nach einer Formulierung. »Gedankenhören. Wann hat das angefangen?«
    Ich rutschte unruhig hin und her und hob die Schultern. »Eigentlich direkt danach. Aber können wir das nicht auf einen anderen Termin verlegen? Dann hast du jetzt genug Zeit, dich mit den Details des Unfalls auseinanderzusetzen und musst am Ende nicht tausend verschiedene Informationen gleichzeitig ordnen.« Schlichte Ausrede. Ich wollte ganz einfach nicht, dass sie mehr erfuhr, als sie musste. Damit ich einen Rückzieher machen konnte, bevor sie die Informationen über mich hatte, die mich vernichten konnten.
    Kurz überlegte Emilia, schien von meinem Einwand aber überzeugt. »Ja, an sich eine gute Idee.«
    Ich triumphierte innerlich.
    »Gut. Morgen wieder um diese Uhrzeit? Gegen sechs?« Plötzlich schien Emilia ganz erpicht darauf, dass ich ging. Kein Wunder. Sie hatte einen Artikel zu schreiben, und es war lange her, dass sie einen solchen Knaller gelandet hatte.
    Ich nickte. »Okay. Ich werde da sein. Und danke für den Tee!« Ich stellte die Tasse auf dem Couchtisch ab und stand auf. Nach einem kurzen Händeschütteln griff ich nach meiner Handtasche und verließ das schneeweiße Wohnzimmer durch einen Türbogen. Ich landete im Eingangsflur, der beruhigend dunkel war.
    »Bis morgen!«, verabschiedete Emilia mich und hielt mir die Wohnungstür auf. »Ich rufe dich an, sollte ich irgendetwas finden und wissen wollen, ob es stimmt.«
    »Gut. Bis dann!« Lächelnd verließ ich die Wohnung. Als die Tür sich hinter mir schloss, legte sich ein unangenehmes Gewicht auf mein Herz. Jetzt war die eigentliche Arbeit getan, und ich konnte nur hoffen, dass sie den Effekt erzielte, den ich mir erhoffte.
    Ich nahm beim Hinuntergehen mehrere der Betonstufen auf einmal. Um zu wissen, ob mein Plan aufging, musste ich nach Hause. Und das schnell.
    Zwei Etagen tiefer im Erdgeschoss des Treppenhauses angelangt, hatte ich leichte Seitenstiche. Aber ich rannte weiter, das sollte mich nicht aufhalten.
    Anders als die Haustür, die urplötzlich direkt vor meinen Augen geöffnet wurde. Ich konnte nur noch in letzter Sekunde einen Satz zurück machen, ihr ausweichen und vermeiden, dass sie mir im Gesicht landete. Eine Duftwolke von Rasierwasser überschwemmte mich.
    »Oh«, kam es von einem blonden, jungen Mann. »Tut mir leid, sind Sie in Ordnung?«
    Ich nickte. »Halb so wild.« Ich kannte ihn irgendwoher, aber ich räumte diesen Gedanken beiseite. Ich hatte keine Lust auf einen weiteren Mann in meinem Leben, und so beschloss ich, auf Smalltalk zu verzichten und schob mich an ihm vorbei nach draußen, wo ich mich noch einmal kurz umdrehte.
    Er lächelte mich an, es blieb aber still. Sehr schön. Keine liebevollen Gedanken. Keine Schwärmereien von meinen Rundungen. Wieso gab es nicht mehr solcher Männer?
    Ich erwiderte das Lächeln, strich mir eine meiner braunen Strähnen hinters Ohr und ging. Erst als ich um die Ecke gebogen war, fiel mir wieder ein, woher ich ihn kannte: Von dem Foto, das bei Emilia in der Küche stand. Das war ihr mysteriöser Freund gewesen. Ich musste ihr zustimmen, seine längeren, blonden Haare hatten wirklich einen gewissen Reiz.
    Von hier aus zu mir nach Hause waren es etwa zehn Minuten, wenn man langsam ging. Aber das tat ich nicht. Die erste Hälfte der Strecke rannte ich und ignorierte mein Seitenstechen, die zweite Hälfte schlurfte ich mit schmerzverzerrtem Gesicht vor mich hin und bereute, dass ich es ignoriert hatte. Schnaufend kämpfte ich mich den Rest des Weges zu meiner Haustür und stützte mich an ihr kurz ab, als ich atemlos ankam. Mit einer Hand fischte ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel, mit den anderen hielt ich mich am Knauf fest. Kaum hatte ich das klimpernde Metall gefunden, schloss ich auf, stürzte ins Innere und konnte in letzter Sekunde einem jungen Italiener ausweichen, der mir hastig entgegen kam.
    »Sorry!«, entschuldigte er sich im Vorbeistolpern. Wenige Sekunden später war er auch schon draußen und um die Ecke verschwunden. Sein Name war Silvio, er war Kunststudent und eigentlich immer ganz gelassen, wenn er die Treppe hinunter kam und zu irgendeinem Künstlertreffen oder Date verschwand. Heute war er das nicht, nicht einmal die Haare waren ordentlich zurückgekämmt, sondern standen wild in alle Richtungen ab. Da er es vermutlich nicht gerne hörte, verkniff ich mir, ihm hinterher zu
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