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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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rufen, dass diese Frisur ihm viel besser stand. Für gewöhnlich hatte er noch ein gedankliches Hübsche Augen für mich übrig, aber heute war auch das anscheinend nicht wirklich drin.
    Ich seufzte. Wie auch immer. Es war eh nicht von Bedeutung.
    Der Briefkasten , schoss es mir in den Kopf. Das war der Grund, wieso ich mich so damit beeilt hatte, nach Hause zu kommen.
    Sofort schienen die Seitenstiche wie weggeblasen, ich ließ die Tür ins Schloss fallen und stürmte auf den Briefkasten zu. Ich hatte den Schlüsselbund noch immer in der Hand, und so dauerte es nur wenige Sekunden, bis ich einen Stapel Briefe in der Hand hielt.
    Rechnung. Noch eine Rechnung. Werbung. Rechnung. Die Postkarte einer guten Freundin aus Ungarn. Eine Fernsehzeitschrift.
    Und sonst nichts.
    Ich hielt den Atem an und wühlte mich noch einmal durch das Papier, mit demselben Ergebnis.
    Nichts.
    Rein gar nichts.
    Ich atmete laut aus, schloss mit zittrigen Fingern den Briefkasten wieder ab und ging zur Treppe. »Es wird etwas dauern«, murmelte ich. Es würde halt etwas dauern, bis ich den Brief bekam, auf den ich wartete.
    Oder ich würde ihn gar nicht bekommen.
    Ich schluckte die letzte Überlegung hinunter und ging mit einem gefälschten Lächeln an meiner Nachbarin vorbei, die gerade die Treppe hinunter kam.
    »Alles gut, Frau Schreiber?«, fragte sie trotzdem. Ich schien wirklich genau so schlecht auszusehen, wie ich mich gerade fühlte.
    Ich nickte hastig. »Alles gut, danke. Und bei Ihnen?«
    »Kann nicht klagen«, lächelte die alte Dame, verabschiedete sich nickend und verschwand zur Haustür. Kaum hatte diese sich geschlossen, hastete ich die Stufen hinauf in den ersten Stock, wo meine Wohnung lag.
    Mein erster Blick fiel auf die Fußmatte.
    Nichts. Ich schloss die Tür auf, ohne den Blick vom Boden zu nehmen. Noch immer nichts. Kein Brief, den man unter der Tür hindurch geschoben hatte. Nicht einmal mehr ein Zettel, eine flüchtige Notiz.
    Das Gewicht auf meinem Herzen löste sich nicht. Im Gegenteil. Es schien immer schwerer zu werden.
    »Mist!«, zischte ich und knallte die Tür zu. Es konnte zwar gut sein, dass ich einfach nur ungeduldig war, aber ich mochte dieses Gefühl, dass sich in mir ausbreitete, trotzdem nicht. Ich brauchte jetzt eine Nachricht. Jetzt. Sofort. Um Gewissheit zu haben. Um zu wissen, dass das, was ich riskierte, nicht vergebens war.
    Mein Handy klingelte.
    Eine Nachricht wird nicht immer mithilfe von Papier überbracht , huschte es durch meine Gedanken.
    Ich riss die Augen auf, hastete ins Wohnzimmer und goss den Inhalt meiner Tasche über dem Sofa aus. Lippenstift. Haarspray. Notizblock. Roman.
    Handy.
    Ich griff danach und nahm den Anruf augenblicklich an. Doch als ich die Stimme am anderen Ende hörte, verließ mich die Hoffnung wieder so schnell, wie sie gekommen war.
    »Hi, Nina! Ich bin’s, Emilia!«
    »Was ist?«, fragte ich etwas misslaunig.
    »Ich habe den Freund gerade angerufen, von dem ich dir erzählt habe. Er hat tatsächlich noch alte Zeitungen, in denen von diesem Unfall berichtet wird!« Sie klang so euphorisch, dass ich mich fragte, was ich im Leben falsch gemacht hatte. Ich hatte nie so eine gute Laune.
    »Aha«, erwiderte ich nur. »Und?«
    »Ich habe den Namen des Mannes herausgefunden, der dich gerettet hat.«
    Ich schwieg, weil ich darauf wartete, dass sie fortfuhr. Aber sie schien fertig zu sein. »Und weiter?«, hakte ich nach.
    »Ich dachte, du willst ihn vielleicht wissen. Um dich bedanken zu können.«
    Ein lautes Lachen entfuhr mir. Hatte ich mich verhört?! »Was?«, fragte ich mit schriller Stimme. »Ich soll mich bedanken ? Der Kerl hätte genug Kraft gehabt, um runterzutauchen und meine Eltern noch zusätzlich zu retten. Aber das hat er nicht. Wofür soll ich mich, deiner Meinung nach, bei ihm bedanken? Dafür, dass ich ohne Eltern aufwachsen musste?«
    Sie schwieg plötzlich. Das war mir klar gewesen. Sie hatte das nicht ganz durchdacht.
    »Nein, der Kerl kann mir gestohlen bleiben. Wirklich. Wenn du einen guten Auftragskiller kennst, dann gib ihm den Namen, aber ich brauche ihn nicht. Bis morgen.« Mit diesen Worten legte ich auf und pfefferte mein Handy auf das Sofa. »MIST!«, brüllte ich. Mit einem lustlosen Seufzer sank ich an der Wohnzimmerwand nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Es war alles eine Frage von Zeit. Jede Minute, die verstrich, brachte mich dem Moment näher, in dem ich die Nachricht erhielt. Ich musste einfach nur geduldig sein. Etwas, das
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