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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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nach seiner Hand, die auf meiner Wange lag.
    Das Lächeln, das daraufhin folgte, war unbezahlbar. »Soll ich dir ein paar Schnulzen zum Geburtstag schenken?«, fragte er leise und strich mir eine Strähne aus der Stirn.
    Ich konnte nicht nicken. Ich war zu gelähmt. Gelähmt vor Glück.
    »Oder wollen wir zusammen Titanic sehen?«, fragte er weiter.
    Ich wollte etwas erwidern, aber ich war mir sicher, dass ich kein Wort herausbringen würde. Meine Gedanken rasten, schlugen Purzelbäume und schienen sich zu verheddern. Genau wie mein Herz. »Nicht Titanic … das Wasser«, brachte ich nur hervor.
    Ich hatte es geschafft!
    Valentin hielt kurz inne, begriff dann aber, was ich hatte sagen wollen. »Achso«, sagte er. »Daran hatte ich nicht gedacht.« Er lächelte, schenkte mir noch einen Kuss auf die Stirn und setzte sich zurück auf seinen Stuhl. »Wie fühlst du dich?«, fragte er, als es wieder still geworden war. »Seit du ein ganz normaler Mensch bist?«
    »Es fühlt sich komisch an«, murmelte ich. Allmählich kehrte die Sprache zurück, doch die Euphorie blieb. Ich hatte es wirklich geschafft. Eine Erkenntnis, die sich irgendwie nicht in mir festsetzen wollte. »Ich fühle mich so leer. Und unbedeutend.«
    Valentin schüttelte lächelnd den Kopf. »Und sonst?«
    Ich lächelte. »Doch, es fühlt sich gut an.«
    »Was genau meinst du?«
    Ich hob die Schultern. Was wollte er hören? »Du hattest unrecht«, sagte ich. »Als du meintest, dass Liebe lästig ist.«
    Er lachte. »Du standest vor mir, bereit, eine Handvoll Beruhigungstabletten zu schlucken, um dich umzubringen. Sobald du einmal in dieser Situation steckst, wirst du wissen, was ich gemeint habe.«
    »Wirst du das irgendwann tun?«, fragte ich.
    »Was? Vor deinen Augen damit drohen, Beruhigungstabletten zu schlucken?« Er verzog das Gesicht, als ob er scharf nachdachte. »Vielleicht. Um dir das alles heimzuzahlen.«
    Ich seufzte. »Super. Ich freue mich schon.«
    Er lächelte und musterte mich. »Was heißt das?«
    Ich wusste, was er hören wollte. Ich drehte mich in seine Richtung, ächzte dabei kurz auf, als mein Nacken sich meldete. »Das heißt, dass ich es versuchen will«, sagte ich und nickte. »Ich möchte mit dir zusammen sein.«
    Valentin lächelte, noch wärmer, als er je zuvor gelächelt hatte. Es war, als ob diese Wärme hunderte von Kokons in meinem Bauch zum Schlüpfen brachte. Denn plötzlich kribbelte mein ganzer Körper, wie von einem Schwarm Nachtfalter erfüllt.
    Und dann küsste er mich.

EPILOG
     
    »Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«, fragte ich und klammerte mich an das Geländer. Es war windig und erste Schneeflocken trieben durch die Luft, um nach ihrem kilometertiefen Sturz im Rhein zu schmelzen. Ich zog mir meine Mütze tiefer ins Gesicht, sodass sie mir fast die Sicht versperrte. Der Dezember war da.
    »Wieso nicht?«, lächelte Valentin, tastete das Gitter mit seiner Hand ab und fand eine noch relativ freie Stelle.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Vielleicht ist ja dieses Schloss der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen wird.«
    Er lachte. »Du hast Angst, dass die Brücke zusammenbricht?«, fragte er.
    »Kann doch sein.«
    Er schüttelte grinsend den Kopf. Seine Hand war vor Kälte ganz rot, als er das Schloss befestigte und den Schlüssel zog.
    Kaum sah ich es inmitten der anderen Liebesschlösser aufglänzen, vergaß ich meine Gedanken an eine mögliche Jahrhundertkatastrophe durch unser Zutun. Ich strahlte. »Es ist toll«, lächelte ich überglücklich und speicherte diesen Anblick in meinem Kopf. Ein glänzendes, silbernes Schloss, mitten auf der Hohenzollernbrücke. Unser Schloss. Unser Liebes schloss.
    Valentin wandte sich mir zu, nahm meine Hand und legte etwas hinein. Ich öffnete sie und erkannte den kleinen, silbernen Schlüssel, mit dem man das Schloss jederzeit lösen konnte.
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    Er nahm sanft mein Handgelenk und führte mich zum anderen Geländer der Brücke, dorthin, wo man direkt auf den Rhein hinab sehen konnte. »Wirf ihn rein«, sagte er.
    Ich hielt inne und schloss intuitiv meine Finger um den Schlüssel. »Wirklich? Aber dann kann man das Schloss ja gar nicht …«
    »Das ist doch der Sinn der Sache«, unterbrach Valentin mich lächelnd. Er sah hinunter auf den Rhein. »Los jetzt.«
    Ich nickte, hielt meine Hand über das Wasser und öffnete sie. Ich sah dem kleinen, silbernen Ding so lange hinterher, bis ich es nicht mehr von den Wassermassen
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