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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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schreien. Es gab kein Paketband, das meine Lippen fixierte.
    Ich versuchte wieder, meine Augen zu öffnen. Blinzelnd sah ich mich um, versuchte, nicht in das grelle Licht zu sehen, das von meiner Linken kam. Ich lag vor einem Fenster, die Sonne knallte mir direkt ins Gesicht. Auf meiner Rechten war es angenehm düster und ich drehte den Kopf dorthin, so weit ich konnte, ohne, dass es wehtat.
    Dann bemerkte ich die Person, die neben mir saß. Auf Augenhöhe.
    Ich hob die Hand, die auf einer weichen Decke lagerte, und legte sie mir so aufs Gesicht, dass sie das Sonnenlicht blockierte. Es war ein Mann.
    Valentin.
    Ich lächelte schwach und senkte die Hand wieder. Allmählich hatte ich meine Augen weit genug geöffnet und konnte fast alles klar und deutlich sehen.
    Valentin saß neben mir auf einem Stuhl. Sein Kopf war ihm auf die Schulter gesunken, die Augen fest verschlossen. Er schlief und sah dabei unheimlich friedlich aus. Ich bemerkte erst auf den zweiten Blick, dass sein Arm in eine Schlinge gelegt war. Jemand hatte sich um seine Schulter gekümmert. Derselbe, der sich auch um mich gekümmert hatte?
    Ich realisierte genau, als die Tür zu meinem Zimmer sich öffnete, wo ich war.
    In einem Krankenhaus.
    »Willkommen zurück«, begrüßte mich eine unbekannte, tiefe Stimme. Ein junger Mann trat auf mein Bett zu und lächelte mich an.
    Ich blinzelte den letzten, trüben Schleier fort und drehte meinen Kopf wieder gerade. »Zurück? Wieso zurück?«, fragte ich benommen. Mein Mund war trocken und jedes Wort rieb an meinem Rachen. Ich musste etwas trinken.
    »Sie waren vorhin schon einmal wach«, erklärte der Pfleger. »Sie sind aber angeblich sofort wieder weggedämmert, nachdem der junge Mann sie gerettet hat.«
    Ich war schon einmal wach gewesen? »Ich erinnere mich nicht daran«, murmelte ich.
    »Es hätte mich auch überrascht.« Ich spürte eine kalte Berührung an meinem Kinn, als der Krankenpfleger mir ein Wasserglas an die Lippen hielt. »Trinken Sie.«
    Das musste er mir nicht zweimal sagen. Gierig sog ich die kühle, erfrischende Flüssigkeit in mich hinein. Mit jedem Schluck kehrten weitere Teile meines Bewusstseins in mich zurück, mit jedem Schluck wurden meine Sinne wieder schärfer. Ich hatte noch nie gemerkt, wie angenehm Wasser sein konnte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich leise, als ich das Glas geleert hatte und wieder zurück auf mein Kissen gesunken war. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr.
    »Das kann Ihnen Ihr Freund erklären«, lächelte der Pfleger. »Anscheinend wird er gerade wach. Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen.« Mit einem Nicken verabschiedete er sich und ging zur Tür. Als sie sich hinter ihm geschlossen hatte, wandte ich meinen Blick Valentin zu.
    »Valle?«, flüsterte ich.
    Er blinzelte und gähnte kurz. Als er sah, dass ich ihn ansah, leuchteten seine Augen auf. »Nina!«, sagte er erleichtert und sofort hellwach.
    Ich lächelte. »Hi«, brachte ich hervor. »Könntest du mir noch einen Schluck Wasser eingießen?«
    Er nickte. Er griff nach einer Wasserflasche und legte mir das gefüllte Glas an die Lippen. Wieder leerte ich es gierig. »Wie lange bist du schon wach?«, fragte er und stellte das Glas auf einen kleinen Tisch.
    »Ich bin wach?«, scherzte ich müde.
    Valentin grinste und rückte mir mit dem Stuhl näher. Ich spürte eine ungewohnte Wärme durch meine Adern sprudeln, als er meine Hand nahm.
    »Was ist passiert?«, fragte ich ihn.
    »Emilia ist durchgedreht«, erklärte er knapp.
    Ich erinnerte mich wieder. Sie war auf mich zugestürmt und hatte mir eine verpasst. Daher stammte also der Schmerz, der leise in meiner Wange pochte. Aber nach ihrem Schlag war alles weg, nur noch ein schwarzes Loch in meiner Erinnerung. »Oh«, murmelte ich.
    Er hob die gesunde Schulter. Offenbar hatte er dazugelernt. »Es gibt Stressmomente, die ein Herz nicht durchstehen kann. Und offenbar war das einer davon.« Er streichelte meine Hand.
    Ich nickte und drehte den Kopf, sodass ich an die gegenüberliegende Wand sah. Auf einem kleinen Tisch stand ein bunter Strauß Blumen, an dem eine Karte hing. Er fiel mir erst jetzt ins Auge. Ich runzelte die Stirn und Valentin bemerkte, was ich meinte.
    Er lächelte. »Der Strauß ist von deinem Nachbarn«, sagte er. »Ein hübscher Italiener. Ich weiß nicht, was er meinte, aber er hat uns alles Gute gewünscht.«
    Silvio. Dann hatte er Valentin gesehen und gedacht, dass er mein Freund war. Ich spürte ein unangenehmes Ziehen
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