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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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Erleichterung in seinem Körper breit gemacht, wurde die Kellertür aufgerissen und Emilia stürzte hinein. In ihren Augen funkelte Wut. Blanke Wut.
    »Geh weg von ihr!«, schrie sie und stürmte auf ihn zu. Er wollte Nina von Emilia abwenden, aber er reagierte zu spät. Mit ganzer Kraft schlug sie auf Ninas dünnen, zitternden Körper auf, den sie sofort seinem Griff entriss. Nina wurde fortgeschleudert und schaffte es kaum noch, sich an der Wand abzufangen.
    Sie riss ihre Augen auf und schnappte nach Luft, als Emilia mit der Faust ausholte und genau ihre Wange traf.
    Dann löste sich Valentin aus seiner Schockstarre und kam gerade noch rechtzeitig an, um einen weiteren Schlag zu vereiteln. Nina sackte an der Wand zu Boden und er riss Emilia fort, die wieder ihre Fingernägel in seine Haut bohre. Jetzt spürte er den Schmerz gar nicht. Jeder Nerv schwieg.
    Er war einfach nur wütend. So wütend wie noch nie.
    Er packte Emilia an den Oberarmen. Es war ihm ganz gleich, wie fest er zudrückte, dass er ihr vermutlich jede Ader zusammenpresste. Sollte sie doch leiden. Sollte sie doch das durchmachen, was Nina hatte durchmachen müssen. Es war ihm egal.
    » LASS MICH LOS!« , kreischte Emilia, aber er hörte nicht auf sie. Er biss die Zähne zusammen und tat einige Schritte nach vorne. Emilia stolperte rücklings über etwas, das auf dem Boden lag, aber auch das kümmerte Valentin nicht. Sein eiserner Griff hielt sie aufrecht, auch wenn ihre Fersen über den Betonboden kratzen und sie wild fuchtelnd versuchte, sich wieder aufzurichten. Chancenlos. Es waren nur noch wenige Meter bis zur Wand, als Valentin stehen blieb und die letzte, verbleibende Wut in seinen Armen staute. Er sah auf Emilia herab. Diese abartigen, jetzt vor Angst glitzernden Augen. Diese abartigen, geschwungenen Lippen. Diese abartige Seele, die sich hinter dieser gefälscht reinen Haut verbarg.
    Wie hatte er diesen abartigen Menschen nur jemals lieben können?
    Valentin stieß einen wütenden Schrei aus und warf sie mit solcher Gewalt von sich, dass sie hilflos mehrere Schritte zurücktaumelte, mit dem Hinterkopf gegen die Betonwand schmetterte und an ihr hinuntersackte.
    Sie blieb reglos am Boden liegen.
    Allmählich wurde sein Kopf wieder klar und er begann zu zittern. Emilias Brust hob und senkte sich fast unmerklich, sie atmete noch. Sie lebte noch. Sie hatte nur das Bewusstsein verloren, was ihm genug Zeit gab, Nina hier raus zu schaffen.
    Nina.
    Schlagartig wurde ihm bewusst, was er eben gesehen hatte. Wie Emilia auf sie zugestürmt war. Den Schock in Ninas Augen, bevor sie zusammengebrochen war.
    »Scheiße«, flüsterte Valentin und wirbelte herum. Sein Blick fiel sofort auf Nina, die nichts als ein regungsloser Haufen Mensch war, der auf dem kalten Boden lag. Blut rann aus ihrer geplatzten Lippe und bildete eine kleine Pfütze auf dem Beton.
    Bei ihr konnte er kein Atmen ausmachen.
    Oh Gott , wiederholte es sich immer wieder in seinen Gedanken, während er auf sie zulief und sich sofort neben ihr hinkniete.
    »Oh bitte«, hauchte Valentin, legte sie auf seinen Schoß und tastete nach ihrem Puls.
    Sie lebt , sagte er sich immer wieder. Sie lebt! Sie muss leben!
    Aber das tat sie nicht. Ihr Puls schwieg.

2 2
     
    Es piepte. Und piepte. Immer wieder piepte es in meinem Schädel, in regelmäßigen Abständen und einer Tonlage, die mir beunruhigend bekannt vorkam. Ich wollte die Augen öffnen und nachsehen, wo ich war, doch meine Lider fühlten sich so bleiern an, dass ich sie um keinen Millimeter rühren konnte. Ich hatte das Gefühl, Tage durchgeschlafen zu haben, und dennoch so müde zu sein, wie nach einem doppelten Marathon ohne Pause. Aber ich konnte nicht schlafen.
    Ich holte tief Luft und hielt inne. Es roch unangenehm süßlich. Steril. Wie in einer Arztpraxis. Was war passiert? Und wie kam ich hierher?
    Zögerlich begann ich, mich zu bewegen. Ich wackelte mit den Fingerspitzen, rümpfte die Nase und öffnete die Lippen, wobei ein kurzer Schmerz durch meine Wange huschte. Aber alles funktionierte. Allmählich verschwand der betäubende Schleier, der über meinen Muskeln lag. Doch als ich den Kopf zu heben versuchte, huschte ein schneller, heftiger Schmerz durch meinen Nacken.
    Was ist passiert? , fragte ich mich erneut.
    Ich vernahm irgendwo Stimmen, ganz dumpf, mehrere Räume von mir entfernt. Sofort lockerte sich ein Stein, der auf meiner Brust gelegen hatte. Immerhin war ich nicht allein, oder zumindest schien das so. Ich konnte um Hilfe
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