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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos
Autoren: Lucy Cardinal
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Schultern. Immerhin hatte sie jetzt den Beweis, den sie verlangt hatte. Wenn sie auch damit nicht zufrieden war, dann musste ich mir wohl oder übel einen neuen Journalisten suchen, wenn möglich jemanden, der etwas leichtgläubiger war. Obwohl ich mit Emilia, die ganz offensichtlich finanzielle Probleme hatte, eigentlich ein ganz gutes Los gezogen hatte. Irgendwie musste mir mein Plan auf jeden Fall gelingen.
    Mein Plan.
    Ich schluckte. Ich hatte ihn die ganze Zeit über ausgeblendet, aber vielleicht war es auch besser so. Im Hinterkopf zu haben, dass ich gar nicht vorhatte, den Artikel letztlich wirklich zu veröffentlichen, würde mich vermutlich direkt verdächtiger wirken lassen. Immerhin war alles nur Provokation.
    »Alles gut?«, rief ich, um meine Gedanken zu verdrängen. Ich hörte es rauschen, als ließ Emilia sich einen ordentlichen Schuss Wasser über das Gesicht laufen. Ich musste unwillkürlich grinsen. Sie musste tatsächlich denken, dass sie träumte. Gut, konnte ich es ihr denn verübeln? Immerhin passierte es nicht jeden Tag, dass man einen Engel auf seinem Sofa sitzen hatte.
    »Ja«, kam es aus dem Bad.
    »Gut.« Ich trank meinen Tee leer und genoss den halb geschmolzenen, süßen Zucker, der sich am Boden abgesetzt hatte und nun auf meiner Zunge dahinfloss. Es war ein toller Kontrast zur bitteren Flüssigkeit. »Hast du noch etwas Tee?«, fragte ich laut. Im Bad floss noch immer Wasser.
    »Küche«, antwortete sie knapp.
    Ich stand auf und ging mit meiner Tasse durch einen hellen Holzbogen in die geflieste Küche. Auch hier waren Boden, Wände sowie Theken weiß gehalten und ich bekam allmählich das Gefühl, dass ich mich in einem Krankenhaus befand und nicht in einer belebten Wohnung. Neben einem Stapel schon etwas älterem Geschirr, der in der Spüle lagerte, fristete ein vertrocknetes Basilikumtöpfchen ein totes Dasein auf dem Herd. Mein Blick fiel auf einen Bilderrahmen, der auf dem Fensterbrett stand. Das Glas war vollkommen verstaubt, sodass man das Foto darunter kaum erkennen konnte. Mit dem Daumen strich ich den Staub zur Seite und erkannte ein Paar, das im Grün vor einer alten Eiche posierte. Die eine war Emilia, dann musste der junge Mann mit fast kinnlangem, blondem Haar und dünnem Bart wohl ihr mysteriöser Freund sein.
    Tolle Beziehung , dachte ich und warf dem Staub noch einen letzten Blick zu, bevor ich nach der Teekanne griff und mir neu eingoss. Es war merkwürdig. Ich hatte noch nie jemanden erlebt, der ein solches Foto, das noch dazu an einem so belebten Ort wie der Küche stand, verstauben ließ. Dadurch hatte Emilia jedoch schon eine bessere Beziehung als ich. Sie hatte wenigstens überhaupt eine.
    Mitleidig drehte ich noch kurz die Spüle auf, schöpfte etwas Wasser mit einem leeren Glas und goss damit das Basilikumpflänzchen. Vielleicht war für ihn ja noch nicht alles verloren. Es gab ja schließlich immer Hoffnung.
    Oder zumindest hoffte ich das, auch für mich.
    »Ist wirklich alles okay?«, fragte ich Emilia, als ich mit meinem Tee zurück im Wohnzimmer war und mich wieder ihr gegenüber setzte. Sie sah furchtbar blass aus, noch dazu war ihr Make-Up durch das Wasser fast vollkommen verschwunden. Sie wirkte total fertig.
    Aber sie nickte und griff wieder nach ihrem Notizblock. Sie lächelte, diesmal sogar etwas glücklich. »Ich bin noch nicht so ganz über den Gedanken hinweg, dass ich einen Engel mir gegenüber sitzen habe, wenn du das entschuldigst.«
    Ich hob abwehrend die Hände. »Klar, lass dir Zeit. Ich denke, ich würde genauso reagieren, wenn ich in deiner Haut steckte.«
    Sie atmete ein paar Mal tief durch, öffnete ihren Kugelschreiber und notierte etwas in ihrem Block. »Hast du eine Überschrift für den Artikel?«
    »Jetzt bist du diejenige, die vergessen hat, dass sie die Journalistin ist«, lächelte ich.
    Sie seufzte. »Du kannst mir auch etwas helfen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich liefere dir die Story und lege damit das Fundament für deinen Erfolg. Wenn ich gut schreiben kann, lohnt sich das für dich nicht. Du bist die, die wieder ins Geschäft einsteigen will.«
    »Ist ja gut«, entgegnete sie, fast aggressiv. »Du hast ja recht.«
    »Immer.« Zufrieden lehnte ich mich zurück.
    »Legen wir dann los?« Sie fixierte mich, den Kugelschreiber schon auf dem Papier, und wartete darauf, dass ich loslegte.
    Ich wanderte gedanklich acht Jahre in die Vergangenheit und ging all das durch, was mich zu dem gemacht hatte, was ich heute war.
    »Es war
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