Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Geschirrgeklapper. Agathe war demnach beschäftigt. Zwei Schritte, ein Griff und — eine Überraschung. Statt der erwarteten Zimmerschlüssel, ordentlich an numerierten Haken hängend, stand das Kästchen voller Flaschen. Birnenschnaps, Zwetschgenwasser, Obstler, Himbeergeist las er auf den Etiketten. Das also war die Quelle für Augusts hochprozentigen Atem. Er war der Trinker, und nicht Onkel Charlie, wie die Verwandtschaft behauptete.
    In diesem Augenblick kam eine Frau von draußen herein. Ein Schritt zur Seite, und Florian betrachtete scheinbar hochinteressiert die Wanderkarte, die neben dem Kästchen an der Wand hing.
    „So, studierst du die Umgebung?“ fragte sie, als ob sie das etwas anginge.
    Florian überlegte gerade, ob er nicht antworten solle: Nein, ich warte auf die Straßenbahn !, da wurde die Tür gegenüber auf- gerissen.
    Mit hochrotem Kopf stürmte eine Frau heraus, sah die andere stehen und rief: „Ich bin hingerissen! Vollkommen hingerissen. Diese Madame Thekla ist ja noch viel besser als ihr Ruf. Was die mir eben gesagt hat! Dinge aus meiner Vergangenheit, die nur ich weiß. Auch über meinen Mann...“
    „Und die Zukunft?“ fragte die andere.
    „Allerbestem!“ fuhr die Hochrote fort. „Wenn das alles eintrifft...“ Sie lachte schrill und stürzte hinaus.
    „Ja“, sagte die erste zu Florian, „deine Tante ist eine Persönlichkeit, auf die du stolz sein kannst!“
    Sprach’s und wandte sich zur Treppe. Jetzt stand Florian wirklich da, als warte er auf die Straßenbahn. Doch in seinem Kopf kombinierte er schon wieder: Wenn die Frau eben raus ist, dann muß Tante Thekla jetzt allein sein und ich kann ihr sagen, daß ich da bin!
    Er trat an die Tür, winkelte den Arm an, um zu klopfen. Er hatte das Holz jedoch noch nicht berührt, da rief von drinnen eine Stimme: „Später, Flori ! Ich hab noch zu tun.“
    Starr stand Florian da und betrachtete seine Hand. Hatte er schon, ohne es bemerkt zu haben...? Nein, denn sonst würde er seinen Fingerknöchel spüren. Und wieso nannte sie seinen Namen? Die Tür war ja noch zu!
    Schritte und Stimmen von draußen lenkten ihn ab. Schleunigst verließ er den Platz und begab sich in die Tiefe des unteren Korridors. Die Küchentür stand offen. Drinnen trocknete Agathe Geschirr ab. Er trat ein.
    „Du besuchst mich. Das ist nett“, sagte Agathe. „Komm, setz' dich.“
    Ohne ihr eine Antwort zu geben, rutschte Florian auf die Eckbank, stützte die Ellbogen auf, die Kinnlade in die Hände und starrte vor sich hin.
    „Du! He, Flori !“ schreckte ihn Agathe aus seiner Versonnenheit auf. „Ich hab dir Kuchen hingestellt und Limo.“
    „Ja... danke“, stotterte er und griff nach dem Glas.
    Agathe stand am Tisch und sah ihn an. „Jetzt versteh ich!“ sagte sie unvermittelt. „Du bist hier rumgeschlichen, wolltest deine Tante besuchen und sie hat dich weggeschickt, bevor du angeklopft hast.“

    Florian schaute zu ihr hinauf, als habe er einen Geist vor sich. Nickte er oder wackelte sein Kopf?
    Agathe jedenfalls lachte. „Das ist ihr Lieblingsspiel! Ich bin mal hier in der Küche gesessen und hab mir überlegt, was ich kochen soll. Da klingelt das Haustelefon. Madame ist am Apparat und sagt: Spaghetti! — Du darfst dich hier über nichts wundern. Es kommt einem ein bißchen verrückt vor, wenn man’s nicht gewöhnt ist, hat aber alles seine Ordnung. Nur eben eine andere.“
    Noch immer saß Florian versonnen da. Jetzt aber wegen des Kuchens. Agathe tischte ihm ein zweites Stück auf.
    Plötzlich stand August an der Tür. „Ach, da bist du!“ sagte er. „Ich will dir doch alles zeigen!“
    „Lassen Sie ihn halt erst essen, Herr August!“ antwortete Agathe an Florians Stelle.
    „Aber halt sie mir nicht von der Arbeit ab!“ Mit erhobenem Zeigefinger stand der Alte da.
    Florian nickte mit vollen Backen, worauf August noch etwas brummte und endlich ging.
    „Er hat wieder zuviel erwischt!“ Agathe machte die Bewegung des Schnapskippens. „Dann ist er unausstehlich und meint, er könnte alle rumkommandieren.“
    Florian grinste. „Draußen im Wandschrank!“
    „Du!“ Agathe lachte. „Du bist ja ein Oberschlauer. Hast dir selber schon alles angesehen. Ohne August.“
    „Ich dachte, da wären die Zimmerschlüssel drin“, verteidigte sich Florian, „nicht, daß Sie denken...“
    Agathe winkte ab. „Sag doch nicht Sie zu mir!“
    Sie lächelte ihm zu, und er fragte prompt: „Hast du den Kuchen gebacken?“ bevor er sich den letzten Bissen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher