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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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sie, wie sie das macht, wenn sie hellsieht. Stell dich ganz dumm, damit sie auspackt! Sammle Beweise, dann können wir ihrem unseligen Treiben ein Ende machen!“ Er holte seine Brieftasche aus der Jacke und gab Florian einen Geldschein. „Hier. Für alle Fälle. Damit du abhauen kannst, falls dir der Boden zu heiß wird. Aber laß dich nicht von ihr einwickeln, Flori ! Du hast eine schwere Aufgabe vor dir.“
    Typisch Onkel Bruno! dachte Florian, steckte den Schein ein und verabschiedete sich rasch.
    Der pensionierte Beamte war in der Familie dafür bekannt, daß er seine Nase in anderer Leute Angelegenheiten steckte und sich über schlechthin alles entrüstete. Sein Beschwerdeeifer kannte keine Grenzen. Er schrieb Briefe an Zeitungen, wenn ihm ein Artikel nicht paßte, oder ans Fernsehen, wenn ihm eine Sendung mißfiel.
    Ferien bei ’ner Hellseherin! Wenn ich das Jens erzähle, haut’s den um! Florian rannte die Treppe hinauf. Unvermittelt blieb er stehen und überlegte: Besser abwarten! Erst mal hören, was die Alten sagen!
    Doch die sagten zunächst gar nichts. Erst als der Vater wegfuhr, weil mit der Tauchausrüstung etwas nicht stimmte, kam Mutter und sagte: „Du bist doch ein intelligenter Junge...“
    Florian mußte sich abwenden, um sein Grinsen zu verbergen. Wenn man was schon weiß, ist es irrsinnig komisch zu hören, wie’s einem beigebracht wird! freute er sich.
    „Du kannst diesmal nicht zu Tante Lene. Sie muß ins Sanatorium. Thekla ist eingesprungen. Sie ist wirklich sehr hilfsbereit, und für dich mal eine Abwechslung. Das ist doch schön. Nur...“, sie machte eine Pause, „...was ihre Tätigkeit betrifft, du weißt ja... aber das interessiert dich sowieso nicht, da hörst du gar nicht hin.“
    Florian schüttelte den Kopf. Wie das ein Detektiv in diesem Fall getan hätte.
    Nach dem Abendessen stellte der Vater den Fernseher leiser, statt, wie sonst, noch lauter, und räusperte sich. „Gut, daß wir einen so intelligenten Jungen haben!“ tönte er. „Du darfst zu Tante Thekla, wie du schon weißt. Sie hat ein sehr schönes Haus, draußen am Grenzwald. Wird dir bestimmt gefallen! Sie... freut sich auf dich. Nur... was ihren Beruf anbetrifft...“ Nachdenklich ging er auf und ab. „In der Familie heißt es, sie sei Hellseherin. Aber das ist natürlich Gerede. Sonst hätte ich nie zugestimmt, daß du zu ihr gehst! Sie hat eine... ganz gewöhnliche Berufsberatung, überhaupt nicht interessant für dich...“
    Florian schüttelte den Kopf. Muß ja eine tolle Tante sein, wenn die sich so in die Kurven legen! kombinierte er und konnte nicht widerstehen, hinzuzufügen: „Ich bin ja ein intelligenter Junge!“

Scherben bringen Glück

    Trotz der Fünf in Mathe, die den Eltern wohlbekannt war, blieb Florian ein „intelligenter Junge“, um den sie sich bemühten. Angeschnallt saß er neben seinem Vater im Wagen und wiederholte in Gedanken, was er im Lexikon nachgeschlagen hatte: Hellsehen ist Wahrnehmung außerhalb der bekannten Sinnesorgane.
    Hellsehen in die Zukunft nennt man Prophetie oder Präcognition . Hellseher sind meist Telepathen.
    Telepathie ist so was wie Gedankenlesen. Der Hellseher zapft seinen Klienten die seelischen Empfindungen ab und kombiniert sie mit normalen Beobachtungen.
    Die Erfolge sind fragwürdig. Gleichwohl oft verblüffend. Der Hellseher empfängt seine Eindrücke passiv. Er kann nicht unterscheiden, was richtig und was falsch ist...
    Ja, und natürlich noch, daß die Telepathie wissenschaftlich erforscht und nachgewiesen wurde. So ungefähr lautete der Text. Diese geheimnisvollen Erklärungen im Lexikon, zusammen mit der offensichtlichen Angst seiner Eltern vor dem Hellsehen, hatte Florian noch neugieriger auf Tante Thekla gemacht.
    Ein plötzlicher Ruck drückte ihn gegen den Gurt. Vater hatte wieder einmal ohne ersichtlichen Grund gebremst. Seine Fahrweise machte Florian rasend. Das war schon immer so. Auf einer übersichtlichen Geraden blieb er hinter einem Traktor, jetzt aber, vor der gefährlichen Kuppe, überholte er einen Wagen mit Wohnanhänger und redete noch dabei.
    „Ich bin sehr glücklich, daß du Tante Thekla richtig einschätzt! Soll sie hellsehen für die Leute, die daran glauben. Soll sie ihnen das Geld aus der Tasche ziehen, uns kümmert’s nicht.“
    Um sich zu vergewissern, ob Florian auch wirklich seiner Meinung sei, schaute er zu ihm hinüber. Mit der Folge, daß er in der nächsten Kurve bremste, statt davor und vor dem offenen Bahnübergang
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