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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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in den Mund schob.
    Auch Agathe schaltete gleich. Sie legte ihm ein drittes Stück auf den Teller. „Klar!“
    „Beachtlich.“ Florian mampfte. „Sag mal, gibt’s hier irgendwo einen Sportplatz, ein Schwimmbad oder sonst einen Ort, wo ein paar junge Leute sind?“
    Mitleidig sah sie ihn an. „Nur den Waldweiher. Aber da ist nie jemand. Ich bin die Jüngste weit und breit.“
    „Warum bleibst du dann da?“ Er mampfte weiter.
    „Das ist eine lange Geschichte, die erzähl ich dir ein andermal.“
    „Du, Agathe“, begann Florian nach längerer Kaupause, „hat eigentlich mein Onkel Charlie auch Schnaps getrunken, oder...“
    August polterte herein. „Bist du immer noch nicht fertig?“
    „Madame hat gesagt, er soll sich erst satt essen!“ gab Agathe zur Antwort.
    Darauf ging er wieder.
    „Wenn du ihn loswerden willst, mußt du nur behaupten, deine Tante hätte gesagt...“ Agathe hielt inne.
    August war zurückgekommen und wandte sich an Florian: „Wenn du fertig bist, komm raus. Dann zeig ich dir alles!“
    Florian mampfte und nickte, ohne aufzuschauen. Kaum hatte sich August verzogen, sagte Agathe: „Am besten, du gehst bald. Der gibt jetzt keine Ruhe mehr.“
    „Aber ich möchte mich viel lieber mit dir unterhalten“, quetschte Florian an dem Kuchen vorbei.
    „Das können wir abends machen, droben bei uns, wenn ich mit allem fertig bin“, sagte sie. „Ich muß jetzt draußen abräumen, dann die Betten abdecken, die kalten Platten richten fürs Abendessen. Und so weiter.“
    „Gut. Dann bis heut abend. Aber bestimmt!“
    Agathe lächelte ihm zu, nahm ein Tablett und verließ die Küche.
    Florian kaute immer langsamer. Sich jetzt von August alles zeigen zu lassen, dazu hatte er überhaupt keine Lust. Was wohl Tante Thekla machte? Vielleicht konnte er sie beim Hellsehen wenigstens hören. Er stand auf und schlich sich in die Diele.
    An der Tür hing noch immer das Schild: Bitte nicht stören! Er blieb stehen. Nichts war zu hören, keine Stimme. Doch da — klang das nicht wie Musik? Florian schlich näher, legte das Ohr an die Tür. Tatsächlich Musik. Sie kam von drinnen und klang wie eine alte Spieldose.
    „Danke“, sagte eine Stimme. „Haben Sie Fragen?“
    Das war seine Tante!
    Eine dunkle Stimme räusperte sich und sagte: „Ja.“
    Ausgerechnet jetzt hörte Florian draußen Schritte auf der Steintreppe und flitzte zur Wandkarte hinüber. Es war wieder August.
    „Da bist du ja endlich! Komm, zuerst zeig ich dir unsere Hühner!“
    Daran war Florian im Augenblick überhaupt nicht interessiert, doch er folgte ihm. August ging nicht zu den Tischen, die Agathe gerade abräumte, sondern nach links um die Hausecke herum.
    „Macht meine Tante eigentlich Musik?“ fragte Florian möglichst arglos.
    August lachte laut. „Du hast die Spieldose gehört?“
    Florian gab sich zerstreut. „Möglich. Irgendwoher klang etwas wie Spieldose.“
    August nickte. „Das heißt, daß der Kunde gerade bezahlt. Madame... äh, deine Tante hat eine alte Kassette. Wenn man den Deckel aufmacht, fängt die Musik an. Da legt der Kunde das Geld rein. Macht sie ihn dann wieder zu, hört die Musik auf. Das hätte ich dir sowieso erklärt. Aber jetzt schau dir erst mal meinen Stall an. 26 Hennen! Die legen pro Tag...“ Mitten im Satz brach er ab, denn Florian hatte sich auf dem Absatz herumgedreht und war weggelaufen.
    „Florian!“ rief er ihm nach. „Wo willst du denn hin, Florian?“
    Der war schon um die Ecke verschwunden, nahm die fünf Steinstufen mit einem Satz, blieb in der Diele stehen und starrte die Tür zum Zimmer der Tante an. Dann ging er drauf zu, drückte ohne anzuklopfen die Klinke und trat ein.
    Tante Thekla, eine rundliche Frau mit auffallend großen hellgrünen Augen, saß in ihrem Lehnstuhl und sah ihm ruhig entgegen. Rechts von ihr stand ein kleiner Tisch, darauf die Kassette mit der Spieldose, ein Telefon und eine Glaskugel. Ein Bergkristall. Der Kundenstuhl ihr gegenüber war leer.
    Daneben stand Florian und schaute verzweifelt. „Entschuldige Tante, ich wollte nicht... Aber ich konnte nicht...“
    „Zuerst einmal Grüß Gott!“ sagte die Tante. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Setz dich!“
    „Grüß Gott!“ erwiderte Florian, gab ihr die Hand und nahm Platz. „Ich weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist, ich mußte...“
    „Ich bin in dich gefahren. Ich habe dich telepathisch herzitiert, und du bist mir gefolgt. Das ist alles.“ Sie sagte es, als wäre das die
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