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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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hupte, als könne man Lokomotiven erschrecken. Immerhin fand er den Weg auf Anhieb!
    Florian hatte auf den Tachometer geschaut: nach genau vierzig Kilometern kamen sie aus dem Wald auf eine Lichtung. Da stand ein Fachwerkhaus mit mehreren kleinen Anbauten: Theklas „Pension Schicksal“, der Name war über dem Eingang aufgemalt. Seitlich vor dem Haus saßen Gäste an Tischen unter Sonnenschirmen, daneben befand sich in einiger Entfernung der Parkplatz.

    „Was hupst du denn?“ Gereizt sah Florian zu seinem Vater hinüber, weil die Leute an den Tischen die Köpfe reckten.
    „Damit sie weiß, daß wir da sind.“
    Neben einem Rolls-Royce starb der Motor ab, weil Vater vergessen hatte auszukuppeln.
    Von den Tischen her kam ein untersetzter Mann mit grüner Schürze. Er fuchtelte mit den Armen und rief: „Nicht hupen! Sie erschrecken unsere Gäste.“
    „Entschuldigung, ich bin drangestoßen“, schwindelte der Vater.
    Florian stieg aus. Gäste starrten herüber, als wollten sie sagen: Was will denn der da? Er sah sich um. Idyllisch! würde seine Mutter sagen. Aber nicht für ihn. So hatte er sich sein Ferienziel nicht vorgestellt. Das war ja das Ende der Welt. Kein jüngerer Mensch weit und breit. Nicht einmal ein Hund oder eine Katze.
    „So, du bist der Florian. Ich bin der August.“ Der Mann mit der grünen Schürze stand da und hielt ihm die Hand entgegen. Sein Atem roch nach Schnaps. Mit gestrecktem Arm schlug Florian ein.
    „Du kannst ruhig ein freundlicheres Gesicht machen!“ nörgelte der Vater. Aber da irrte er sich. Florian brachte kein Lächeln zustande. Er drehte sich um, holte seinen Koffer aus dem Wagen und den Rucksack mit der Detektivausrüstung. „Ich will jetzt nicht stören!“ sagte der Vater zu August. „Grüßen Sie Madame Thekla von mir. Ich fahre gleich zurück. Es gibt noch viel zu tun. Wir wollen möglichst weit kommen in der Nacht.“ Er gab ihm die Hand und steckte ihm einen Geldschein in die Tasche der Schürze.
    „Oh, vergelt’s Gott“, antwortete der, „ich werd’s bestellen. Sie könnten jetzt gar nicht zu ihr. Wir haben Hochbetrieb heute. Schon zwei Heiratsschwindler entlarvt, eine Erbschaft gerettet. Madame ist bis in den Abend besetzt. Ich weiß das, ich verteile nämlich die Termine.“
    „So, so.“ Abwesend lächelte der Vater, klopfte Florian auf die Schulter und sagte: „Mach’s gut!“
    „Und blamier mich nicht!“ ergänzte Florian den bekannten Text.
    Da drehte sich August, der mit Koffer und Rucksack schon zum Haus gehen wollte, um und sagte: „Sie können unbesorgt sein, alles geht gut. Bei Ihnen im Urlaub, und hier sowieso.“
    „So, so“, wiederholte der Vater. „Dann ist ja alles in Ordnung.“ Er stieg in den Wagen, schnallte sich an, Florian gab ihm Handzeichen beim Rückwärtsfahren. Ein letztes väterliches Nicken.
    Der Sohn erwiderte den Gruß äußerst sparsam und ging zu August, der auf ihn wartete.
    „Vater fort — jetzt fangen die Ferien an. Erst mal zeig ich dir dein Zimmer.“ Mit der Ankündigung wehte wieder Fuselduft in Florians Nase, doch das störte ihn jetzt nicht.
    „Hat denn meine Tante gesagt, daß alles gutgeht?“ wollte er sich vergewissern.
    „Madame... äh, ich meine deine Tante, hat gar nichts gesagt“, kam die Antwort.
    „Aber Sie haben doch eben gesagt
    „So ist es“, unterbrach ihn August und blieb stehen. „Ich hab das absichtlich gesagt. Ich hab doch gesehen, wie dein Vater weggedrängt hat und wie du den Abschied hinter dich bringen wolltest. Da muß man immer was Positives sagen, dann geht’s am schnellsten!“ Vergnügt zwinkerte er Florian zu und fuhr fort: „Aber es geht wirklich alles gut.“
    Florian verstand ihn nicht und lief hinterher, denn August war weitergegangen. „Woher wissen Sie das? Ich denke, meine Tante hat nichts gesagt.“
    „Dafür hab ich einen Blick. Wenn man das Geschäft hier seit zehn Jahren macht, ist man selber ein halber Hellseher.“ Angeber! dachte Florian.
    „Guten Tag!“ rief eine Dame und sah ihn mit spitzer Nase an. Sie hatten die Tische erreicht.
    „Guten Tag“, antwortete Florian und hörte vom Nebentisch eine Männerstimme: „Der Neffe von Madame.“
    Jetzt richteten sich alle Augen auf ihn, und er fing an zu zählen, um nicht verlegen zu werden: zehn Personen an sieben Tischen. Dann war er durch, stieg fünf Stufen zum Hauseingang hinauf.
    „Hoppla!“ rief eine helle Stimme. Es klirrte. Glas zerbrach auf dem Steinboden. Unter der Tür stand ein junges
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