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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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Körper und stählerne Muskeln. Dunaris stammte aus einfachsten Verhältnissen und konnte nur mit Mühe seine Muttersprache entziffern, sein Freund hingegen beherrschte ein halbes Dutzend Sprachen in Wort und Schrift und konnte zahllose Gedichte und Lieder zitieren. Einst war Albor ein Ritter der Silbernen Garde von Kassilia gewesen, bis er die Dekadenz und Verkommenheit des Kaiserhofs nicht mehr ertragen und seinem Befehlshaber die Treue aufgekündigt hatte. Während seiner Flucht aus der Kaiserstadt vor zwei Jahren hatte Dunaris ihn kennengelernt; seitdem zogen sie gemeinsam durch die Länder des Südens, immer auf der Suche nach Abenteuern und Reichtümern.
    Und wie es scheint, endet unser Weg hier
, dachte Dunaris düster, während er die letzten Stufen erklomm.
    Oberhalb der Treppe erstreckte sich ein weites Plateau, auf drei Seiten eingerahmt von Berghängen, übersät von Geröll und Felsen, so groß wie die Hütten in den Elendsvierteln von Drokal. Die Sonne brannte heiß, und der Wind, der in Spalten und Schründen heulte, brachte keine Abkühlung. Auf der anderen Seite des Plateaus schmiegte sich ein Gebäude an den Berg, ein wuchtiger Bau aus rotbraunen Steinblöcken, der zum größten Teil aus einer Kuppel bestand.
    „Was ist das?“, fragte Dunaris leise.
    „Ihr Tempel, schätze ich.“ Albor grinste unter seinem Bart. „Shegeth-Shemais Heiligtum.
Dein
Heiligtum.“
    Der Schamane rief etwas, und die Krieger stießen sie unsanft vorwärts.
    „Dafür, dass ich ihr Gott bin, behandeln sie mich ganz schön unfreundlich.“
    „Du musst dich ihrer Verehrung erst würdig erweisen“, sagte Albor. „Wenn ich den Priester richtig verstanden habe, will er dich einer Prüfung unterziehen.“
    Dunaris stolperte zwischen den Geröllhaufen entlang. „Was für eine Prüfung?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    „Du bist der Gelehrte von uns beiden -“ Dunaris verstummte, als ihn einer der Suul am Arm packte. Der Trupp blieb stehen. Der Schamane trat vor, stampfte mit dem Stab auf und deutete auf einen haushohen Felsen, der neben dem Weg aus dem Boden wuchs.
    „Shegeth-Shemai“, rief er, und die Krieger knieten nieder, ausgenommen jene, die Dunaris und Albor festhielten.
    Ein primitives Relief war in den Stein gehauen worden, das Abbild einer riesenhaften Gestalt, derartig von Wind und Wetter abgeschliffen, dass man kaum noch Einzelheiten erkennen konnte.
    „Die Ähnlichkeit mit dir ist verblüffend“, murmelte Albor.
    „Nicht wahr?“, meinte Dunaris missmutig. „Als würde ich in einen Spiegel schauen.“
    Der Schamane hielt eine längere Rede. Die Suul hatten offenbar begriffen, dass Albor ihre Sprache verstand. Einer ihrer Wächter deutete auf ihn und dann auf Dunaris und forderte den einstigen Ritter auf, zu übersetzen.
    „Deine Prüfung beginnt“, sagte Albor und lauschte konzentriert dem Schamanen. „Ich glaube, du sollst kämpfen ... gegen Shegeth-Shemais alten Widersacher. Das Ch'rii. Es wird unter dem Tempel gefangen gehalten ... Du musst es bezwingen, um dein göttliches Erbe anzutreten.“
    „Was ist das Ch'rii?“
    Albors Augen verengten sich, als er den Schamanen anstarrte. Plötzlich zerrten ihn zwei Krieger von Dunaris weg. Einer der Suul zückte einen Dolch aus gesplittertem Obsidian und stieß ihn Albor in den Bauch.
    „Nein!“, schrie Dunaris.
    Der einstige Ritter keuchte vor Schmerz und riss sich los, stieß einen der Suul zu Boden und taumelte gegen den Felsen. Der andere Wächter stieß abermals zu und trieb ihm die Obsidianklinge bis zum Heft in die Nierengegend. Blut schoss aus Albors Mund, während er zu Boden sank.
    Dunaris wollte die Hände seiner Wächter abschütteln, doch sie hatten mit Widerstand gerechnet und hielten ihn fest. Hilflos musste er mitansehen, wie sein Freund im Staub verblutete.
    Der Schamane tauchte seine Hand in die Pfütze neben der Leiche und schmierte Blut über das Relief: eine triefende Krallenspur. In seinen Augen glühte der Wahnsinn, als er einen Befehl bellte. Die Krieger führten Dunaris zur Tempelkuppel. „Albor“, krächzte er. Zwei Jahre lang waren der Hüne und er durch Dick und Dünn gegangen, hatten Dutzende Gefahren ausgestanden, einander mehrmals das Leben gerettet – nur damit Albor auf diesem von Taynor verlassenen Felsplateau einen sinnlosen Tod fand. Dafür würden die Suul bezahlen.
    Die Krieger öffneten das Portal des Tempels und führten ihn ins Innere des Gebäudes. Fackeln und glimmende Kienspäne erleuchteten den
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