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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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Kuppelsaal, von dem mehrere Tunnel in den Fels führten. Der größte Teil der Anlage schien unter der Erde zu liegen. Eine merkwürdige Apparatur beherrschte die runde Halle, ein Gebilde aus Balken, Rädern, einem hölzernen Käfig und einer Seilwinde. Ein Aufzug, erkannte Dunaris. Er hing über einem klaffenden Schacht im Steinboden.
    Die Krieger zerschnitten seine Fesseln, stießen ihn in den Käfig und schlossen die Tür. Während der Schamane weitere Anweisungen gab, bemannten zwei Suul die Winde und begannen, die Kurbel zu drehen. Knirschend setzten sich Gegengewichte in Bewegung. Langsam sank der Käfig in die Tiefe.
    Dunaris umklammerte die hölzernen Gitterstäbe und betrachtete den roh behauenen Fels, der an ihm vorbeizog. Das Fackellicht aus der Tempelhalle wurde schwächer und schwächer, und bald konnte er kaum noch etwas sehen. Ein widerwärtiger Gestank stieg aus dem Schacht auf, und ihm war, als gleite er in den Schlund eines riesigen Untieres hinab, in dessen Eingeweiden zersetzende Dämpfe brodelten. Dunaris schloss die Augen und sah vor sich, wie Albor röchelnd zusammenbrach und das Licht in seinen Augen erlosch.
    Er musste am Leben bleiben. Er musste um jeden Preis seine Haut retten, denn nur dann konnte er seinen Freund rächen.
    Ein Ruck durchfuhr den Käfig, als er auf unebenem Boden aufsetzte. Die Schachtwände waren verschwunden; ringsum war nichts als undurchdringliche Schwärze. Er wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, griff durch die Gitterstäbe, zog den primitiven Riegel zurück und öffnete die Tür.
    Von weit oben, kaum hörbar, erklang ein Ruf. Etwas prallte klappernd gegen die Schachtwand, traf mit einem dumpfen Schlag den Käfig und fiel ihm vor die Füße.
    Zwei Fackeln.
    Ein Beutel aus grobem Stoff.
    Der Gürtel mit seinen Schwertern.
    Er öffnete den Beutel, fand Feuerstein und Zunder und zündete damit eine der Fackeln an. Die Finsternis wich zurück und offenbarte zerklüftete Wände, Felszacken, Spalten im Boden. Rasch legte er seinen Gürtel an, schob die zweite Fackel und den Beutel dahinter und zückte eines der beiden Schwerter. Es war eine kurze Klinge, die im Fackelschein schimmerte wie die Pupille einer Raubkatze. Normalerweise kämpfte er mit einem Schwert in jeder Hand. Das, seine außergewöhnliche Schnelligkeit und seine Vorliebe für dunkle Nächte hatten ihm in Kaman-Share den Beinamen
Schattentänzer
eingebracht.
    Er fragte sich, ob er seine Heimatstadt je wiedersehen würde.
    Hör auf damit. Sieh lieber zu, dass du einen Weg hinaus findest.
    Er schritt die Höhle ab und stellte fest, dass sie etwa so geräumig wie der Kuppelsaal war. Es gab mehrere Ausgänge, die meisten groß genug für einen erwachsenen Mann. Da ein Weg so gut wie jeder andere war, entschied er sich für einen beliebigen Tunnel und folgte mit Fackel und Schwert in der Hand dem Gang.
    Der Feuerschein ließ die feuchten Wände glitzern, als bestünden sie aus einer organischen Substanz. Hier und da entdeckte er Spuren auf dem Fels, parallel verlaufende dünne Rillen und Kratzer im Boden und den Wänden. Krallenspuren? Falls ja, wie würde das Wesen aussehen, das sie hinterlassen hatte?
    Nicht menschlich.
    Und sehr, sehr groß.
    Dunaris biss die Zähne zusammen und bemühte sich noch mehr als zuvor, kein Geräusch zu verursachen, obwohl ihm bewusst war, dass seine Anstrengungen vermutlich überflüssig waren. Das Licht würde ihn verraten. Leider war er auf die Fackel angewiesen. Zwar konnte er im Dunkeln ausgezeichnet sehen, aber in diesen nachtschwarzen Tunneln wäre er genauso blind wie jeder andere Mann.
    Er war noch keine hundert Schritte gegangen, als ihm klar wurde, dass er sich in einem Labyrinth befand. Ständig verzweigten sich die Gänge, schlängelten sich durch den Fels, führten in Grotten und Kammern, wo es weitere Ausgänge gab. Diese Höhle musste riesig sein. Damit er nicht die Orientierung verlor, ging er stets in eine Richtung, so weit das bei diesem gewundenen Stollen möglich war.
    Der Gestank wurde schlimmer. Es roch nach Verwesung, Fäulnis, Moder – nach Tod.
    Er trat auf etwas, das knirschend zerbrach. Dunaris senkte die Fackel. Ein Knochen. Menschlich. In einer Nische lagen weitere, ein gelblicher Haufen aus Gebeinen wie achtlos hingeworfenes Feuerholz. Mehrere Schädel grinsten ihn an. Andere Männer, die der wahnsinnige Schamane in seinen Träumen gesehen hatte, vermutete Dunaris. Die in diesen Tunneln den Tod gefunden hatten, ehe sie sich
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