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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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Gesichter. Noch nie aber hatte man ihn für einen Gott gehalten.
    „Sie glauben, du bist der Shegeth-Shemai“, murmelte Albor, während die Krieger des Bergstammes sie den staubigen Pfad hinaufstießen.
    „Der was?“
    „Der wiedergeborene Gott ihres Stammes. Der Beschützer der Ahnen. Glaube ich jedenfalls. Ich verstehe nur jedes zweite Wort von diesem Kauderwelsch.“
    Das konnte Dunaris nicht von sich behaupten: Wenn die Suul redeten, verstand er rein gar nichts. Die kehlige Sprache dieses Bergvolkes ähnelte keinem ihm bekannten Dialekt des Südens. „Wie kommen sie auf diesen Unsinn?“, fragte er.
    „Ihr Schamane hat dich in seinen Träumen gesehen.“
    „Der Kerl ist wahnsinnig.“
    „Da könntest du recht haben, mein Freund.“
    Dunaris riskierte einen flüchtigen Blick nach hinten. Der Schamane schritt am Ende des Trupps, ein hagerer Mann mit kahlgeschorenem Schädel, der die fünfzehn Krieger mit scharfen Befehlen zur Eile antrieb. Er stützte sich auf einen zweieinhalb Schritt langen Stab, von dem Knochen, Federn und anderer Plunder baumelte. Wie die übrigen Männer trug er primitive Kleidung aus zusammengestückelten Fell- und Lederfetzen. Seine Augen glühten fiebrig, und sein Blick irisierte mal hierhin, mal dorthin, während seine Lippen stumme Worte formten. Vermutlich hatten die bewusstseinserweiternden Drogen, die die Suul aus Pilzen und Flechten gewannen, seinen Verstand zerrüttet.
    Dunaris konzentrierte sich wieder auf den unwegsamen Pfad. Er hatte seine Erfahrungen mit religiösen Fanatikern. Diese Geschichte würde ein blutiges Ende nehmen, wenn kein Wunder geschah.
Taynor, steh uns bei
, betete er, obwohl Taynor sich noch nie dazu herabgelassen hatte, ihm zu helfen, mochte seine Lage noch so verzweifelt gewesen sein. Der Götterkönig und der Rest des Pantheons brachten den Sterblichen nichts als Gleichgültigkeit entgegen, und er hatte schon vor vielen Jahren gelernt, dass es klüger war, sich auf seinen Verstand, seine Schnelligkeit und seine Schwerter zu verlassen, statt auf himmlischen Beistand. Leider hatten ihm die Suul sowohl seine beiden Klingen als auch das Panzerhemd und seine übrige Ausrüstung weggenommen.
    Der Pfad führte stetig bergauf und schlängelte sich durch die kargen Ausläufer des Vinarigebirges. Zerklüftete, von der Sonne verbrannte Felsformationen erhoben sich links und rechts des Weges, der immer schmaler wurde, bis er schließlich an einer steilen Treppe endete. Unregelmäßige Stufen waren in den Berghang geschlagen worden, gesäumt von Steinzapfen mit kultischen Symbolen. Einer der Suulkrieger bedeutete ihm mit einer Geste, er solle hinaufsteigen. Dunaris erwog, dem Mann einen Tritt zu verpassen, damit er in die Felsspalte jenseits des Pfades stürzte. Doch solange seine Hände gefesselt waren, erschien ihm ein Fluchtversuch aussichtslos. Also erklomm er die Stufen, gefolgt von Albor, den restlichen Kriegern und ihrem wahnsinnigen Führer.
    Die Suul waren schöne Menschen von schlankem Wuchs, mit bronzefarbener Haut, feingeschnittenen Gesichtern und verschlungenen Feuermalen auf Brust und Nacken, Zeichen ihres Ranges innerhalb der Stammeshierarchie. Ihre Eleganz täuschte darüber hinweg, dass sie schreckliche Krieger waren, die keine Gnade mit ihren Feinden kannten. Dunaris und Albor waren in einen Hinterhalt des hiesigen Stammes geraten, als sie in den Bergen nach einer alten Festung gesucht hatten. Ein Artefakt aus den Automatenkriegen sei in der Ruine versteckt, so die Gerüchte, ein Seelenkristall, größer als alle anderen Steine dieser Art, für den die Chymischen Mechaniker aus Drokal ein Vermögen bieten würden. Dunaris und Albor hatten die Festung gefunden, doch bevor sie das verfallene Gebäude betreten konnten, hatte das Glück sie verlassen. Kreischende und Waffen schwingende Suul waren zwischen den Felsen aufgetaucht, eine Übermacht, der sie nicht gewachsen waren. Die Bergkrieger griffen von allen Seiten an, und obwohl sie ihnen einen harten Kampf lieferten und vier oder fünf erschlugen, wurden sie rasch überwältigt und gefangen genommen.
    Weil sie mich für ihren Gott halten
.
Dunaris verzog den Mund. Er war viel herumgekommen und hatte so manche Idiotie gesehen. Doch diese übertraf alles.
    Etwa auf halber Strecke wurde die Felsentreppe breiter, sodass Albor neben ihm gehen konnte. Sein Gefährte war in vielerlei Hinsicht das exakte Gegenteil von ihm: Während Dunaris klein und schnell war, verfügte Albor über einen hünenhaften
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